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109 - Die Atemdiebin

109 - Die Atemdiebin

Titel: 109 - Die Atemdiebin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Frenz
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dir heute Nacht auflauern wollen.«
    Ihre scharfen Worten zuvor taten Amelie umgehend leid.
    Verdammt, dieser junge Kerl schützte sie nicht nur vor den anderen, jetzt warnte er sie auch noch vor einer Falle. Aus irgendeinem Grund schien er sie zu mögen. Wirklich zu mögen.
    Ein warmes Gefühl, von dem sie geglaubt hatte, es niemals mehr zu spüren, schlich sich in ihr Herz. »Vielen Dank«, sagte sie. »Nett, das du mir Bescheid sagst.«
    »Schon gut.« Alaans Haltung verriet Unbehagen.
    Wahrscheinlich fragte er sich gerade selbst, warum er ihr half.
    Nachdenklich fuhr er fort: »Ich halte dich schon für gefährlich, Amelie, doch mir missfällt der Gedanke, dass man dich totschlagen könnte.«
    Nun, mit dieser Aussicht mochte sich Amelie ebenso wenig anfreunden. Aus den Augenwinkeln heraus stellte sie sicher, dass niemand ihr Gespräch belauschte, doch sie brauchte sich deshalb nicht zu sorgen. Die übrigen Barbaren, die zwischen Ruinen und blühendem Ginster herumlungerten, hatten nur Augen für die Ältesten, die gerade Richtung Croix Rousse vorbei marschierten.
    »Glaubst du wirklich, Aruula und ihre Freunde wollen mich töten?«, fragte sie leise.
    Alaan zuckte mit den Schultern. Eine Geste, die angesichts der Tragestange auf seinem Nacken leicht verunglückt wirkte.
    »Ich weiß nicht. Vielleicht wollen sie dir auch nur helfen.« Die Flügel der eingesperrten Lischetten schabten über die Stäbe der schaukelnden Holzkäfige. Das schaurige Brummen, das dabei entstand, untermalte Alaans Frage: »Kann man dir denn helfen? Bist du überhaupt… ein Mensch?«
    Diese Frage hatte sie sich auch schon oft gestellt.
    Schließlich verging kaum eine Nacht, in der sich Amelie nicht wie ein Monstrum fühlte, das seinen perversen Gelüsten nachging. Tränen befeuchteten ihre Netzhaut und raubten ihr die Sicht. Plötzlich sah sie Alaan wie durch eine wabernde Linse. Sie wischte die Tränen nicht fort, weil sie fürchtete, durch diese Geste erst auf sie aufmerksam zu machen.
    »Natürlich bin ich ein Mensch«, stieß sie hervor. »Doch ich bin irgendwie… krank. Ohne den Atem fremder Menschen kann ich nicht überleben. Ich habe versucht, meinen Appetit zügeln, aber es hilft nichts. Im Gegenteil. Wenn ich zu lange warte, überkommt mich der Hunger wie ein fremder Wille. Darum versuche ich nur ganz wenig vom Atem eines Menschen zu stehlen. Damit ich ihm nicht wirklich schade. Golluks Tod war ein Versehen, das musst du mir glauben.«
    Alaan nickte, als ob er verstehen würde. Freundschaftlich berührte er sie am Arm. Eine Geste, die ihr wohl tat, auf die aber auch der blaue Anzug unter ihrer Felljacke ansprach.
    Amelie konnte spüren, wie die Nanofasern in Bewegung gerieten und sich erwärmten. Sie erstarrte vor Schreck.
    Hoffentlich löste der Barbar seine Hand rasch wieder, bevor noch ein Unglück geschah. Sie selbst mochte ihn nicht fortstoßen und damit seine Gefühle verletzen.
    »Alles klar. Ich weiß jetzt, was dir fehlt«, erklärte Alaan mit großer Bestimmtheit. »Du bist von einem Dämon besessen!«
    Seine Worte waren wie eine kalte Dusche. Er hatte nichts verstanden.
    »Quatsch«, fuhr sie ihn an und nutzte die Gelegenheit, um seine gefährdete Hand zur Seite zu schlagen. »Es geht hier nicht um abergläubischen Mumpitz, sondern um Technik, die beherrscht werden kann. Aber davon versteht ein dummer Barbar wie du natürlich nichts!«
    Ihr scharfer Ton jagte dem Lischettenfänger Angst ein, das war deutlich zu sehen. Trotzdem wich er keinen Schritt zurück.
    Er hielt ihr und den verletzenden Worten stand.
    Ein ungewöhnlicher Mann. Ein Freund, wie sie ihn gar nicht verdient hatte.
    »Du musst dich heute Nacht von der Ruine fern halten«, kehrte er zum Ausgangspunkt des Gesprächs zurück, als ob nichts gewesen wäre. »Alles andere wird sich finden. Glaub mir, Amelie. Ich werde dir helfen, so gut ich kann.«
    Das wohlige Gefühl kehrte wieder zurück.
    »Prima.« Sie rang sich ein Lächeln ab. »Ich kann Hilfe wirklich gut gebrauchen.« Wenn auch nicht deine, mein kleiner dummer Barbar.
    Plötzlich wusste sie ganz genau, was zu tun war. Es schien beinahe, als hätte sich ein Schalter in ihrem Kopf umgelegt und aufflammendes Licht die Dunkelheit aus ihren Gedanken verdrängt. Natürlich, sie musste die Initiative ergreifen… und sie wusste auch schon ganz genau, wo und wann.
    Alaan, der diesen Gedankengang nicht bemerkte, dachte dagegen in eine ganz andere Richtung. »Ich muss jetzt weiter«, entschuldigte er sich,

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