1090 - Für immer und ewig
erwischte den Oberschenkel.
Linda wußte selbst nicht, woher sie den Mut nahm, auch weiterhin zu kämpfen. Hier ging es einzig und allein darum, am Leben zu bleiben. Diese Tatsache hatte möglicherweise ihre Kräfte so über sich selbst hinauswachsen lassen.
Mit beiden Händen erwischte sie den freien Arm der Braut dicht über dem Handgelenk. Jetzt war es Linda, die ihn nicht mehr loslassen wollte und ihn mit aller Kraft zurückbog.
Irgendwo an einer Stelle unter der Haut knackte es. Kein Grund zur Freude, denn eine Gestalt wie diese war so leicht nicht zu vernichten. Aber sie schaffte es durch einen heftigen Ruck, den Oberkörper der Braut zur Seite zu biegen.
Noch ein Tritt.
Geschafft!
Auf einmal war sie frei!
Linda blieb nicht liegen, um sich nach diesen mörderischen Anstrengungen auszuruhen. Einmal in Bewegung, setzte sie die auch fort. Sie rollte sich so schnell wie möglich mehrmals um sich selbst, weil sie aus der unmittelbaren Gefahrenzone wegkommen wollte. Erst als ihr das gelungen war, dachte sie weiter, und ihr fiel Jay ein, von dem sie nichts gehört hatte.
Keinen Schrei, keinen Fluch, einfach gar nichts. Sie hatte auch nicht gesehen, ob er ebenfalls gekämpft und sich von seinem Gegner befreit hatte.
Diesmal setzte sich die junge Frau nicht hin. Aus der Drehung heraus kam sie auf die Beine. Der schnelle Blick nach links. Da hockte die untote Braut als böse Puppe auf dem Boden und zischte ihr wütende Laute zu, wobei die schmale Zungenspitze immer wieder aus dem Mund hervorzuckte.
Jay war noch da.
Aber Jay rührte sich nicht!
Es war für Linda nicht zu begreifen. Die Szene schien aus einer anderen und alptraumhaften Welt zu stammen.
»Jay…!« keuchte sie.
Er hörte sie nicht.
»Verdammt, Jay…«
An seiner Stelle drehte sich der Bräutigam. Er saß ebenfalls auf dem Boden mit dem Rücken zu Linda. Vor ihm lag Jay Burgess. Linda sah nur einen Teil seines Körpers. Der Kopf blieb durch die Gestalt der lebenden Leiche verdeckt.
Sir Henry Ashford glotzte die Frau an.
Es waren nicht die starren Augen und auch nicht die Nahtstellen in seinem Gesicht, was Linda Drew störte.
Etwas anders ließ das Entsetzten in ihr hochschnellen.
Sie konnte nur auf den Mund der Gestalt schauen, um den herum sich das Blut wie eine aufgeplatzte rote Blume ausgebreitet hatte…
***
Ashford Castle!
Wir hatten das Schild gesehen, waren an ihm vorbeigefahren und rollten nun auf einem recht schmalen und kurvenreichen Weg dem Anwesen entgegen.
Weder Glenda noch ich hatten es je gesehen und wußten nicht, wie es aussah. Die Gegend zeigte einen dünnen Baumbewuchs, der sich rund um das Gebäude verteilte und auch uns die Sicht auf die Mauern zunächst nahm.
Beim Näherkommen und nach einer breiten Kurve lag es schließlich vor uns. Zwischen und hinter den Bäumen, so genau war das nicht festzustellen. Wir fuhren durch ein welliges Gelände, das mit Gras bedeckt war und auf dem noch teilweise das Laub der Bäume lag, weil der Wind es nicht weggeschafft hatte.
Eine etwas trostlose Gegend, wie auch der Landsitz.
Glenda schüttelte den Kopf. »Ashford Castle hätte ich mir anders vorgestellt.«
»Wie denn?«
»Keine direkte Ahnung, John. Aber möchtest du hier deine Hochzeit feiern?«
»Kaum. Nur denk daran, daß es keine normale ist.«
»Ich weiß. Es soll eine Zombie-Hochzeit werden.«
»Genau.«
Früher mußte es wohl mal eine Auffahrt gegeben haben. Zwar war das Gelände auch jetzt noch vorhanden, aber niemand hatte es mehr gepflegt. Wenn Kies oder andere Steine vorhanden waren, dann versteckten sie sich unter einer Grasfläche, die weniger aus Rasen, sondern mehr aus Unkraut bestand.
Ein großes graues Haus mit mehreren Trakten. Aber keine Burg oder Schloß. Das hier glich mehr einem alten englischen Herrensitz, und der vor dem Haus stehende alte und rot schimmernde MG deutete darauf hin, daß wir nicht die einzigen Gäste auf Ashford Castle waren.
Ich lenkte den Rover über die baumlose Fläche vor dem Haus und sah, daß Glenda ihre Blicke über die Fassade hinweggleiten ließ.
Zahlreiche Fenster deuteten auf ebenso zahlreiche Räume. Keine Scheibe war zerbrochen. Kein Wunder, wenn sich ein Verwalter um das Gebäude kümmerte.
Der Rover fuhr die letzten Meter, und ich hielt links neben dem alten MG.
Wir stiegen noch nicht aus. Blieben sitzen wie abgesprochen. Glenda drehte mir das Gesicht zu.
»Sag was!«
»Warum?«
»Ich will von dir hören, ob du ebenso fühlst wie ich. Ein Märchenschloß
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