1092 - Der Vampirengel
vorhanden. Mit dem Rücken prallte sie gegen die Seitenwand eines Containers. Sie war so weit weg, daß ihr Angela nichts anhaben konnte. Die Hände griffen nicht mehr. Sie rutschten an ihrer Kleidung entlang und konnten auch nicht mehr nachfassen.
Angela stolperte nach vorn. Sie wußte nicht, daß Dagmar Hansen eine Kampfausbildung hinter sich hatte, das gehörte zu ihrem Job, und der blitzschnell geführte Schlag mit der Handkante erwischte Angelas Nacken.
Sie brach zusammen, fiel dabei auf ihr Gesicht und blieb liegen, ohne auch nur den kleinen Fingen zu rühren.
Dagmar atmete auf. Sie hatte es nicht so weit kommen lassen wollen, aber Angela hatte ihr durch ihr Verhalten keine andere Wahl gelassen.
Bewegungslos lag der Körper vor ihr. Dagmar blickte auf ihre Handkante. Sie zeigte nicht die Hornhaut wie die bei einem Kampfsportler, der regelmäßig trainierte, und deshalb wunderte sie sich, daß sie es mit einem Hieb geschafft hatte, den Vampirengel auszuschalten.
Das war eigentlich nicht möglich.
Die Erkenntnis kam ihr zu spät. Da war sie schon auf den Trick der anderen hereingefallen.
Zwei Hände griffen nach ihren Fußgelenken. Der harte Ruck riß Dagmar von den Beinen. Sie fiel nach hinten, und diesmal gongte es in ihr auf, als sie mit dem Hinterkopf gegen die Containerseite stieß. Durch ihren Kopf wühlten sich die Schmerzen wie schnelle Messerstiche, und sie hörte auch das harte Lachen des Vampirengels, während sie langsam zusammensackte und vor dem Container hockenblieb.
Die Schatten der Bewußtlosigkeit packten sie nicht. Aber Dagmar war schon angeschlagen. Ihr fehlten die Fitneß und der Überblick für einen weiteren Kampf.
Blei lag in den Knochen. Die Sehkraft war vorhanden, aber verringert. Sie stellte fest, daß sich vor ihr die andere Psychonautin bewegte und dann aus ihrem Blickfeld verschwand.
Es wäre eine gute Chance gewesen, aber mit nur halben Kräften schaffte sie es nicht einmal, sofort wieder auf die Beine zu gelangen.
In ihrer Nähe klirrte etwas. Zugleich war dieser Laut eingepackt in eine platzendes Geräusch, was für Dagmar Hansen alles andere als ein gutes Omen war.
Es drängte sie, endlich aufzustehen. Nur war es so verflucht schwer, gegen die Schwäche des eigenen Körpers anzugehen. Sie kam zwar hoch, aber noch nicht auf die Beine. Der Aufprall gegen den Container war verdammt hart gewesen.
Sie schaffte es trotzdem. Dagmar gab nicht so leicht auf. Sie gehörte zu den Menschen, die sich durchwühlten. Sie kämpfte und benutzte den Container als Stütze. Außerdem wußte sie genau, daß Angela nicht verschwunden war. Die würde zurückkehren. Es ging hier allein um sie und nicht um Harry Stahl. Er sollte aus dem Spiel bleiben, einzig und allein Dagmar zählte.
Sie stand wieder.
Im gleichen Augenblick erschien Angela. Es war auch der Moment, als Dagmar daran dachte, die normale Dienstwaffe zu ziehen. Sie trug sie nicht in einer Schulterhalfter, sondern am Rücken, eingehakt in den Gürtel. Die Waffe steckte in einer Pistolentasche mit verschlossener Klappe.
Es war keine Zeit mehr, an sie heranzukommen. Sie wollte auch nicht über ihren Fehler nachdenken, denn Angela stand vor ihr. Dagmar wußte jetzt auch, weshalb sie das Klirren gehört hatte.
Der Vampirengel hatte eine der herumliegenden Flaschen aufgenommen und zerschlagen. Der Form nach mußte es eine Weinflasche sein. Den Hals hielt sie mit der rechten Hand fest. Der gezackte Unterrand wies dabei auf Dagmar. Der Vampirengel hatte aus der Flasche eine gefährliche Waffe gemacht.
Die Beleuchtung unter der Brücke war schlecht. Trotzdem sah Dagmar das gefährliche Stück Glas.
Jede einzelne Zacke konnte sie erkennen, und sie sah auch das Lächeln in Angelas Gesicht, das so gar nichts Nettes mehr an sich hatte. Es sah bösartig aus. Zudem hatte sie die Augen verengt.
»Schwester, warum stellst du dich so an? Du weiß doch, daß wir zusammengehören. Ich habe dich für vernünftiger gehalten.«
Dagmar Hansen gab keine Antwort. Es war nicht still. Sie hörten die Geräusche der über die Brücke hinwegfahrenden Wagen. Auch auf der Uferstraße neben dem Rhein bewegten sich Fahrzeuge in beide Richtungen. Keiner der Fahrer kam auf die Idee, unter der Brücke anzuhalten und zu den Containern zu gehen.
Angela grinste. Dieses böse Lächeln ließ die beiden Vampirzähne frei. Sie hatte sich Dagmar gegenüber als harmlos ausgegeben, doch daran konnte die Frau nicht mehr glauben. Angela wußte genau, was sie wollte.
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