1093 - Blutkult um Angela
hatte eine Hand in meine Haare geklemmt und zog meinen Kopf nach unten, um mich beißen zu können.
Ich hörte ihr Fauchen. Der warme Atem strich über meinen Hals hinweg und ich sagte: »Ich glaube nicht, daß deine Zähne hart genug sind. Wäre doch schade, wenn sie abbrechen.«
Die Worte hatten ihr wohl nicht sonderlich gefallen, denn sie stieß mich zurück. Ihr Haar war hennarot gefärbt bis weit über die Schultern. Vor unseren Augen drehte sie sich wie eine Tänzerin und flüsterte: »Wir kommen noch zusammen.«
»Ja, sollte mich freuen.«
Ich wollte weitergehen und der Vampirin in den Bunker folgen, aber Suko hielt mich zurück.
»Einen Moment, John.«
»Was ist denn?«
»Würde es dir etwas ausmachen, den Tempel da allein zu betreten?«
»Nein, im Prinzip nicht. Ich wundere mich nur über deinen Vorschlag. Angst ist es doch nicht.«
»Klar.«
»Was denn?«
»Es ist der Spiegel. Wenn Mallmann hier herumirrt, müssen wir damit rechnen, daß er sich satt getrunken hat und einige seiner Opfer unterwegs sind. Falls sie den normalen Weg nehmen, müssen sie hier am Spiegel vorbei. Da kann ich gut sehen, ob sie ein Spiegelbild abgeben oder nicht. Wäre ein guter Test.«
»Wie lange willst du denn hier bleiben?«
»Nicht die ganze Nacht über, das steht fest. Sollte es im Bunker zur Sache gehen, bin ich sofort da. Schau dich erst mal alleine um. Ich warte hier. Vielleicht entdecke ich auch die geheimnisvolle Angela. Möglich ist alles.«
Der Vorschlag war nicht übel. Wir mußten auch nicht unbedingt zusammenbleiben. Deshalb stimmte ich zu.
»Gut, dann bis gleich.«
Die rote Vampirin war bereits verschwunden, verschluckt von einem Dunkel, das sich vor mir in verschiedenen Stufen aufbaute. Es war nicht überall finster im Bunker. Aber es gab schon Stellen, an die das Licht der Lampen nicht drang.
Jeder Strahl war irgendwie bleich. Er schien von der Finsternis noch gefiltert zu werden, und so sahen auch die Gegenstände entsprechend blaß aus, über die das Licht schwebte. Wie Netze waren die Lichter unter der Decke angebracht worden. Sie streuten eine Helligkeit in die Gegend, die an silbriges Mondlicht erinnerte, das sich im Bunker ausgebreitet hatte.
Ich blieb stehen. War zur Seite gegangen, denn zum erstenmal war mir der freie Blick in den großen Raum gelungen.
Über meinen Rücken rann ein Kribbeln, als ich diese düstere Welt betrachtete. Nicht daß ich Furcht gehabt hätte, das Fremde war schließlich für mich normal geworden, nein, hier baute sich etwas auf, das Erinnerungen in mir wachrief.
Es war tatsächlich ein unheimlicher und düsterer Friedhof. Auch das hätte mich nicht gestört, wenn mir dieser Friedhof nicht bekannt vorgekommen wäre.
Ich hatte ihn schon einmal gesehen.
Nicht so genau, aber so ähnlich, und es konnte auch kein Zufall sein. Dieser Friedhof sah fast so aus wie der in Mallmanns Vampirwelt…
***
Das war in der Tat eine Überraschung, mit der ich nicht gerechnet hatte, wobei es so unnatürlich auch nicht war, denn ich wußte ja, daß Dracula II mitmischte.
Ich wollte keinem im Wege stehen und ging deshalb einige Schritte zur Seite. Von dieser Stelle aus hatte ich auch den besten Blick über den Friedhof.
Alles war künstlich. Es gab hier nichts Echtes. Aber man hatte es perfekt nachgebaut. Kein Filmarchitekt hätte eine derartige Grusellandschaft besser hinbekommen.
Gräber, Grabsteine, Sträucher. Grauer Staub, der in der Luft flirrte. Hinzu kam die ungewöhnlich kalte Luft, die durch irgendein Gebläse über den Friedhof hinweggeweht wurde. Eine Luft, die so künstlich war, aber zur Szene paßte.
Die Grabsteine dienten als Sitzplätze. Das knorrige Buschwerk war so stark, daß sich Gäste dort anlehnen konnten. Manche saßen auf den schrägen Grabplatten und bewegten sich kaum. Sie hockten da und lauschten den dumpfen Klängen der Musik. Die Lautsprecher sah ich nicht, aber die Klänge wummerten über das künstliche Gräberfeld hinweg wie die unregelmäßigen Herzschläge eines Riesen, der sich irgendwo in der Dunkelheit versteckt hielt.
Über allem schwebte dieses kalte Licht aus den unzähligen Lampen unter der Decke. Die Beleuchtung bildete ein Netz, das bis hin zur Theke reichte, die etwas erhöht lag. Dort konnten Getränke gekauft werden.
Das war mein Ziel.
Um die Theke zu erreichen, ging ich quer über den künstlichen Friedhof hinweg. Meine Schuhe schabten durch den Staub. Ich passierte Gäste, die wie selbstvergessen auf den schmalen Gräbern
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