1093 - Blutkult um Angela
tanzten. Oft mit geschlossenen Augen, aber aufgerissenen Mündern, und nicht selten sah ich die künstlichen Vampirgebisse blitzen.
Tatsächlich künstlich?
Einer wie ich, der genug Ärger mit den echten Blutsaugern hatte, bekam da seine Zweifel. Ich dachte wieder an Mallmann und konnte mir gut vorstellen, daß sich unter den Gästen auch einige Blutsauger aus seinem Dunstkreis aufhielten, die sich erst zu einem bestimmten Zeitpunkt zu erkennen geben würden.
Mein Kreuz hatte noch keine Wärme abgegeben, doch das mußte nichts heißen. Sie konnten sich versteckt halten und darauf warten, daß jemand den Startschuß gab.
Ich wunderte mich über den freien Platz in der Mitte des Friedhofs. Kein Grabstein stand hier, keine Figur war zu sehen. In einer normalen Disco hätte ich eine derartige Stelle als Tanzfläche angesehen. So etwas Ähnliches war sie auch, denn kaum hatte ich sie überquert, als die Musik wechselte.
Keine dumpfen Baßschläge mehr. Jetzt wimmerten die Panflöten in den verschiedenen Tönen. Sie wanden sich über die Gräber hinweg, erreichten die Decke, kehrten als Echos zurück und animierten zwei Paare dazu, die Tanzfläche zu betreten.
Es waren Vampire, die sich da bewegten.
Tanz der Vampire!
Ich mußte lächeln, als ich an den Titel des weltberühmten Films dachte. Eine ähnliche Zeremonie erlebte ich auch hier, nur nicht mit einem so gemischten Publikum. Hier war auch kein Drehbuch geschrieben worden. Der Leiter und Regisseur im Hintergrund überließ die Gäste bis zu einem bestimmten Zeitpunkt sich selbst.
Zwei breite Stufen mußte ich hochgehen, um die Bar zu erreichen. Natürlich war sie schwarz, auch recht lang. Beim zweiten Hinsehen fiel mir auf, daß die Theke die Form eines großen und langgestreckten Sargs besaß, der sich an seinen beiden Enden verengte.
Hocker gab es ebenfalls. Sie waren mit schwarzem Fell bezogen, und ich entdeckte meine Spiegelfreundin wieder, die etwas verloren an der langen Theke saß, sich halb gedreht hatte, um so einen Teil des Friedhofs beobachten zu können.
Ich näherte mich ihr lächelnd und nahm auf dem Hocker neben ihr Platz. Sie schaute mich an. Das Vampirgebiß trug sie nicht mehr, wahrscheinlich störte es beim Trinken. Ich fand die ganze Verkleidung sowieso lächerlich.
»So sieht man sich wieder.«
Sie legte den Kopf schief. Dunkle Ränder umgaben die Augen, damit sie etwas Furchterregendes bekamen. »Bist du mein Schicksal?« fragte sie leise.
»Nein, denke ich nicht. Ich bin übrigens John. Wie heißt du?«
»Tiziana«, flüsterte sie und strich mit der linken Hand über das schwarze Holz. Vorbei an ihrem Glas, in dem ein Drink schimmerte, der so rot wie Blut aussah. Ihre Fingernägel waren lang, dunkel bemalt, und auf dem Handrücken sah ich den Kopf eines Vampirs, dessen Maul weit geöffnet war.
Kein Tattoo, sondern eine Zeichnung, die sich wieder abwaschen ließ.
»Ein ungewöhnlicher Name. Ist der echt?«
»Mir gefällt er!«
»Kann ich mir denken. Er ist außergewöhnlich. Ebenso wie du?«
»Ich warte auf den Biß!« flüsterte sie.
»Und ich auf einen Drink.«
»Nimmst du das, was ich habe?«
Ich warf einen Blick auf das Glas und schüttelte den Kopf. »Nein, ich bin nicht so für Säfte. Gibt es hier Bier?«
»Kann sein.«
Hinter der Sargtheke schlichen zwei Gestalten herum, die auch bedienten. Sie waren sehr dünn, und ihre Gesichter erinnerten mich an Hohlköpfe. Auf den Schädeln wuchsen die dunklen Haare wie weicher Flaum. An den Handgelenken klimperten Ketten, wenn sie die Arme zu heftig bewegten.
»Bier?« fragte ich den einen, der aussah wie der Tod auf Urlaub.
»Nur in Dosen.«
»Dann her damit!«
Er tauchte weg, als wollte er in einem Grab verschwinden. Wenig später war er wieder da und schob mir die Bierdose über die Theke. Sie war kalt. Am Metall hatten sich Perlen abgesetzt.
Ich zahlte sofort. Danach riß ich die Lasche auf, hörte es zischen und trank sehr schnell, bevor der Schaum herausquellen und an den Seiten herablaufen konnte.
Das Bier schmeckte normal. Nicht nach Grab oder Friedhof. Zu einem Drittel leerte ich die Dose und stellte sie wieder hin. Tiziana hatte mich die ganze Zeit über beobachtet. Als ich ihr zulächelte, schüttelte sie den Kopf.
»Was hast du?«
»Du paßt nicht hierher.«
»Das kann schon sein.«
»Das kann nicht nur sein, das ist so.«
»Denkst du an mein Outfit?«
»Auch das. Du bist anders. Du magst uns auch nicht. Warum bist du gekommen?«
Ich zückte mit den
Weitere Kostenlose Bücher