1094 - Der Aibon-Drache
die Angst zurückzuhalten. Das war nun vorbei.
Sie mußte sich einfach Luft verschaffen und sprang mit einem langen Satz nach hinten.
Noch in der Bewegung schrie sie auf. Zuerst leise, dann warf sie sich herum, hetzte auf die Tür zu, und es war ihr jetzt egal, was hinter ihr passierte.
Sie drehte sich auch nicht mehr um. Wuchtig zerrte sie die Tür auf, und im Flur schrie sie gellend…
***
Ich hatte das Buch aus dem Regal gezogen, auf den Schreibtisch gelegt und mich in den Sessel gesetzt. Der Titel »Drachenwelten« hatte in diesem Fall eine besondere Bedeutung erhalten. Normalerweise wäre ich darüber hinweggegangen, doch jetzt sah es anders aus.
Chris und ich hatten den Drachen gesehen. Er mußte ja irgendwo hergekommen sein, denn aus der Luft war er bestimmt nicht gefallen.
Ich hatte die Lampe in die rechte Hand genommen, den Arm angewinkelt und den Ellbogen aufgestützt. Der Schein leuchtet auf das alte Buch, dessen Umschlag muffig roch. Es mußt wirklich aus vergangener Zeit stammen, und sowohl die Seiten als auch die beiden Deckel schienen sich mit Feuchtigkeit vollgesogen zu haben. Der muffige Geruch strömte in meine Nase. Der Titel sah aus wie in den Buchdeckel eingraviert. Die zittrige Schrift leuchtete leicht grünlich, und ich schlug das Buch vorsichtig auf.
Der Titel stimmte. Dieses Buch zeigte tatsächlich die Drachenwelten auf. Es schlug einen Bogen von der Antike bis hin in eine Zeit, die nicht einmal so lange zurücklag. Selbst im letzten Jahrhundert hatten die Menschen noch an Drachen geglaubt und sie vor allem in den Tiefen des Meeres vermutet.
Ein Bild war zu sehen, wie Alexander der Große einen Drachen erschlug. Aber auch Perseus stand mit gezücktem Schwert auf dem Körper eines toten Riesendrachen, als er Andromeda vor ihm gerettet hatte. Ein weiteres Bild zeigte eine Hydra mit sieben Köpfen, und dieser Abdruck erinnerte mich an Skylla, ein Drachenmonster, gegen das ich bereits gekämpft hatte.
Auf einem Südseebild war zu sehen, wie eine Riesenkrake ein Segelschiff angriff. Ähnliche Motive wiederholten sich in den Bildern aus skandinavischen Gewässern. Da waren die menschenfressenden Ungeheuer mehr Riesenschlangen, die aus dem Wasser gestiegen waren und ganze Schiffe umklammert hielten. Apokalyptische Bilder auf jeder Seite, die schließlich mit dem Drachen Nessie endeten, dem Monster aus Loch Ness, von dem heute immer wieder gesprochen wurde, wenn es auf der Welt keine anderen Sensationen gab.
Es gab nicht nur Bilder zu betrachten. Ich konnte auch entsprechende Textpassagen lesen. Angefangen von einer babylonischen Legende, über die Sigurd-Sage, bis hin zu St. Georg, dem englischen Nationalheiligen. Er soll damals einen Drachen getötet haben, um die heidnische Bevölkerung zu befreien und zum Christentum zu bekehren. Sogar die Offenbarung des Johannes war zitiert worden.
Ihr nach sollten am Jüngsten Tag alle Drachen überwältigt und ins Feuer der Hölle geworfen werden.
Das hatte ich alles überflogen, fand es auch sehr interessant, doch es brachte mich in diesem Fall keinen Schritt weiter. Ich hatte es nicht mit einem Riesendrachen zu tun, nicht mit einer Seeschlange, sondern mit einem Fabeltier, das meiner Meinung nach gar nicht auf der Erde existiert hatte, sondern aus einer fremden Dimension in unsere Welt gekommen war.
Ich blätterte das Buch bis zum Schluß durch und suchte nach irgendwelchen Hinweisen. Nur die Babylonier und die alten Griechen waren erwähnt. Allenfalls noch die minoische Kultur mit seinem Minotaurus.
Ich stand auf und stellte das Buch wieder in die Lücke hinein.
Dann schaute ich mir die anderen Titel an. Es war schon bemerkenswert, welch große Bibliothek Chris Talbot da angesammelt hatte.
Dabei ging es mir weniger um die Masse, sondern mehr um die Titel der Bücher. Legenden, Märchen, Ungeheuer und andere Monstren.
Astrologie, Weissagungen und ähnliche Themen. Die Horror-Oma Sarah Goldwyn hätte sicherlich ihren Spaß an diesen Büchern gehabt.
Eigentlich hätte ich den Raum längst verlassen müssen, aber mein Gefühl zwang mich, zu bleiben. Ich konnte mir vorstellen, hier einen Hinweis zu finden, eben in einem dieser alten Bücher. Nur mußte ich das richtige noch finden.
Am Ende der Reihe fiel mir ein schmales Buch auf. Ich zog es hervor und ging damit wieder zu meinem alten Platz. Der Verfasser war nicht aufgeführt, doch der Titel des Buches weckte mein Interesse.
Kontakt zu anderen Welten.
Schreiben konnte man viel. Ich
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