1094 - Der Mann aus Haiti
doch das andere nicht aus. Aber wenn es dir unangenehm ist, darüber zu sprechen, lassen wir es. Du sagtest, deine Tante hätte uns eine Besuchsgenehmigung beim HQ-Hanse beschafft, ja?"
„Meine Großtante. Ja, wir sind für 14.00 Uhr Ortszeit in die Abteilung Flottenpersonalverwaltung bestellt. Da haben wir also noch eine gute Stunde Zeit."
„Die werden wir brauchen, um hinzufinden. Gehen wir! Ich bin schon ganz aufgeregt."
Vierzig Minuten später saßen sie in einem der offenen Robotfahrzeuge, die sich auf vier kleinen gummibereiften Rädern durch separate schmale Tunnels innerhalb des Hauptquartiers der Kosmischen Hanse bewegten.
Sie hatten dem Computer des Fahrzeugs gesagt, wohin sie wollten - und der Computer würde sie auch an ihr Ziel bringen. Es bestand keine Gefahr, daß sie von Zimmer zu Zimmer geschickt werden könnten, denn selbstverständlich hatte der Fahrzeugcomputer sich über Funk vergewissert, wo man sie erwartete.
Als sie ausstiegen, öffnete sich gerade die Tür des Zimmers, das ihr Ziel war. Ein hochgewachsener Mann, der eine Plastikmaske vor dem Gesicht trug, kam in Gesellschaft eines Hominiden heraus, der ihn sogar noch überragte, aber zweifellos kein Mensch war, denn sein Gesicht bestand aus zahllosen strohfarbenen, achteckigen Hautplättchen. Nase und Mund wurden durch eine Öffnung ersetzt, die von einem gazeähnlichen Gewebe verschlossen war, und die Augen waren zwei strahlende Murmeln von tiefem Blau.
„Santa Maria!" flüsterte Eartha und hielt sich an Salomons Arm fest. „Den einen erkenne ich. Das ist Alaska Saedelaere. Aber wer ist der andere?"
„Das muß Carfesch sein", flüsterte Salomon und starrte den beiden Wesen nach. „Man sagt, Carfesch sei früher ein Gesandter der Kosmokraten gewesen. Ob das stimmt, weiß ich nicht. He. sieh dir doch mal Eric an!"
Eartha wandte den Kopf und blickte Eric, den sie noch immer auf dem Arm trug, ins Gesicht.
Der Junge hatte den Kopf gereckt. Er schlief nicht mehr, sondern sah aus geweiteten Augen hinter den beiden Männern her.
„Was hat er nur?" meinte Salomon. „Es sieht aus, als starrte er Carfesch nach."
Eartha zuckte die Schultern.
„Er sieht eben geheimnisvoll aus."
Sie ging neben Salomon auf die Zimmertür zu. Eric fing plötzlich an zu strampeln, aber sie achtete nicht weiter darauf, denn ihre Gedanken eilten ihr voraus und beschäftigten sich damit, was sie über den Verbleib Hirts erfahren würde.
Als sie den Raum betraten, hörte das Strampeln des Jungen auf. Eine ältere Frau erhob sich von ihrem Platz hinter einem Computer-Terminal und kam auf sie zu.
„Eartha Weidenburn?" fragte sie freundlich.
Eartha nickte und schob ihr ihren Passierschein über die Besuchertheke.
Die Frau deutete auf eine Sesselgruppe neben einem Getränkeautomaten.
„Ihr könnt dort Platz nehmen und etwas tasten, wenn ihr möchtet", erklärte sie. „Man sagte mir, daß ihr euch nach einem Angehörigen der Hanse-Flotte erkundigen wollt. Wie ist der Name, bitte?"
„Hirt", antwortete Eartha und fühlte, wie ihre Handflächen feucht wurden. „Hirt Lammaso."
„Das werden wir gleich haben", sagte die Frau.
Während Eartha und Salomon Platz nahmen, ging sie zu einem Computer, setzte sich und fuhr mit den Fingerspitzen über zahlreiche Sensorpunkte.
Auf dem Bildschirm erschienen Zahlengruppen und Symbole. Sie runzelte die Stirn und berührte wiederum Sensorpunkte, dann schüttelte sie den Kopf und kam zu den Besuchern.
„Es tut mir leid, aber ein Hirt Lammaso ist bei uns unbekannt", erklärte sie.
Eartha erschrak.
„Aber er flog vor vier Jahren mit einer Hanse-Karawane nach M13!" protestierte sie schwach. „Er hat mir sogar ein Paket von dort geschickt."
Die Frau schüttelte den Kopf.
„Er war nie Mitarbeiter der Hanse gewesen, Eartha. Auch kein freier Mitarbeiter. Ich habe das nachgeprüft."
„Aber er schickte mir ein Paket aus M13", sagte Eartha. „Sogar über den Transmitter des Flaggschiffs der Hanse-Karawane."
„Nun, dann war er Passagier", erwiderte die Frau. „Ich prüfe das nach. Weißt du noch, wie das Flaggschiff hieß?"
„Ja, natürlich! VISBY! SKH VISBY! ,Via Bordtransmitter’ stand auf dem Paket."
Die Frau lächelte beruhigend.
„Na, dann wird sich die Sache gleich klären."
Sie kehrte zum Computer zurück, berührte einige Sensoren und blickte erwartungsvoll auf den Display.
Auch Eartha blickte hin, und so sah sie selbst die Antwort des Computers.
PASSAGIER HIRT LAMMASO UNBEKANNT - HANSE-SCHIFF
Weitere Kostenlose Bücher