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1094 - Der Mann aus Haiti

Titel: 1094 - Der Mann aus Haiti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Glühen gewesen sein, sonst hätte es den Nachttisch verbrannt."
    Sie richtete sich abrupt auf.
    „Doc, er ist verglüht! Santa Maria! Hoffentlich bedeutet das nichts Schlimmes! Der Kristall war für Eric bestimmt."
    Erschöpft sank sie zurück.
    McMahon erschauderte unwillkürlich.
    „Beim Großen Bären!" murmelte er schließlich. „Ich wußte doch, daß das kein gewöhnlicher Kristall war. Wenn Hirt wieder zurück ist, werde ich ihm vielleicht etwas erzählen. Dir ein solches Ding zu schicken!"
    Er schluckte trocken und faßte sich an die Kehle.
    „Verdammt, jetzt könnte ich einen Glenfiddich gebrauchen!"
    Plötzlich ruckte sein Kopf herum, und er starrte Eartha argwöhnisch an.
    „Glenfiddich - Glen! Jetzt geht mir ein Licht auf, Bella! Diesen Spitznamen hat Bea, dieser Satansbraten, ausgeheckt! Jetzt erinnere ich mich, daß sie mich auch einmal Glen nannte, aber da hatte ich keine Zeit, mir Gedanken darüber zu machen. Ha, ist es etwa einem ständig überforderten Medizinmann nicht erlaubt, ab und zu einen Schluck der Medizin zu sich zu nehmen, die die Verknotungen in seinem Hirn wieder löst!"
    Eartha lachte.
    „Doch, Doc, doch!"
    Er schmunzelte.
    „Sag ruhig Glen zu mir, Bella. Das paßt besser zu mir als Albert. Den Namen hätten mir meine Eltern gleich geben sollen." Er erhob sich. „Ich muß jetzt gehen. Aber sobald ich die Praxis geschlossen habe, sehe ich noch mal nach dir und dem kleinen Eric."
    „Auf Wiedersehen!" flüsterte Eartha. „Trink ein Glas Glenfiddich auf unser Wohl, Glen!"
     
    5. Das Sorgenkind
     
    Aber es heißt, daß am Anfang kein Unterschied zwischen Mensch und Tier war. Und die Menschen benutzten die Hände zum Gehen oder krochen auf allen vieren umher. Erst später lernten sie, aufrecht auf den Füßen zu gehen.
    Eartha schaltete das Lesegerät aus und nahm die Spule heraus, auf der die alten Eskimo-Märchen aufgezeichnet waren, die sie vor vier Jahren gesammelt hatte. Die Sammlung hatte nur einen mäßigen Verkaufserfolg erzielt, wie ihr Verleger stets zu behaupten pflegte. Für sie stellte es sich anders dar. Bei drei Auflagen waren insgesamt 230.000 Lesespulen verkauft worden. In einem Zeitalter, das hauptsächlich durch rationales, abstraktes Denken geprägt wurde, war das für Eartha sehr viel. Es bedeutete, daß das Denken in Anschauungen immerhin nicht ausgestorben war, so daß die Menschheit es irgendwann in ihrer Gesamtheit wieder erlernen konnte.
    Und sie glaubte, daß die Zeit kommen würde, in der diese Fähigkeit dringend gebraucht wurde.
    Das Patschen nackter Füße störte sie aus ihren Gedanken auf. Sie wandte sich um und blickte mit fast begieriger Erwartung den kleinen Eric an, der, nur mit einem kurzen Hemdchen bekleidet, aus dem gemeinsamen Schlafzimmer gekommen war.
    Eric blieb ein paar Schritte vor ihr stehen und sah sie bittend an.
    „Bist du aufgewacht, mein Kleiner?" fragte Eartha in der wilden und verzweifelten Hoffnung, er möge endlich wenigstens das Wort „Mama" sagen. Vier Jahre war er nun alt, und er hatte bisher nicht ein einziges Wort gesprochen, sondern höchstens geweint oder Unverständliches gelallt.
    Auch diesmal antwortete er nicht, sondern schluchzte nur.
    „Sag doch etwas, Eric!" bat Eartha. „Was soll denn Papi denken, wenn er nach Hause kommt!"
    Mein Gott, ich rede, als wenn Hirt nur für ein paar Stunden weggegangen wäre, dabei habe ich schon viereinhalb Jahre vergeblich auf ihn gewartet! Wahrscheinlich hat er mich längst vergessen.
    Die großen blauen Augen in dem blassen Gesicht des Jungen bettelten.
    Eartha seufzte.
    „Ich weiß ja, was du willst."
    Sie ging zu ihm, nahm ihn auf und küßte ihn auf die Augen.
    „Wenn ich deine Augen sehe, muß ich immer an deinen Vater denken. Er hat die gleichen Augen." Die Tränen schossen ihr heraus und liefen über ihre Wangen, „Komm, mein Junge!"
    Sie trug ihn ins Schlafzimmer, legte ihn auf ihr Bett, streifte sich die Schuhe ab und legte sich im Kleid dazu. Er hörte auf zu schluchzen, sah sie aber weiter bettelnd an.
    „Also, gut! Ich erzähle dir das Märchen von Musatak, obwohl du es eigentlich inzwischen auswendig gelernt haben müßtest."
    Das war ebenfalls ein Eskimo-Märchen, und Eric mochte es so sehr, daß er es am liebsten jeden Abend gehört hätte, bevor er einschlief.
    „Also: Es lebte einmal eine Frau, die weder Mann noch Kinder hatte. Sie hieß Musatak.
    Eines Tages, als sie draußen war und Beeren pflückte, sah sie ein winzigkleines neugeborenes Bärenjunges,

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