1094 - Der Mann aus Haiti
das sie mit nach Hause nahm und pflegte. Es wollte kein Robbenfleisch fressen, mochte aber Speck sehr gern. Wenn eine Robbe zerlegt wurde und auch, wenn die Nachbarn etwas gefangen hatten, bekam das Bärenjunge sein Stück Speck davon ab.
Es wuchs heran und ging im Haus aus und ein, und Musatak hatte es sehr lieb. Als es groß geworden war, ging es aufs Eis und kam dann immer mit einer Robbe nach Hause, die Musatak abspeckte und von der die Nachbarn auch Fleisch bekamen. Wenn es Winter wurde und die Leute wegen des vielen Schnees und Eises nicht auf die Jagd gehen konnten, ging der Bär hinaus und kam oft mit Jagdbeute zurück, wodurch er die Nachbarn vor Not bewahrte."
Tiefe Atemzüge verrieten Eartha, daß Eric eingeschlafen war. Sie wartete noch eine Weile, dann rückte sie behutsam von ihm ab, stieg aus dem Bett und kehrte zu ihrem Computer-Terminal zurück. Sie hatte noch eine Terminarbeit zu erledigen. Die Mineral Realizations Company in Terrania, für die sie als Kristallographin arbeitete, hatte von der Kosmischen Hanse eine Schiffsladung Mineralien en bloc aufgekauft. Ihre Aufgabe war es, die einzelnen Bestandteile festzustellen und sie nach Namen, Härte, Glanz, Durchsichtigkeit, Spaltbarkeit und Besonderheiten zu bestimmen.
Sie schaltete am Terminal eine Verbindung zum Computersystem der Halle, in der die Mineralien lagerten, programmierte einen Stichprobendurchlauf und ließ die zu prüfenden Proben an Mikroskopsonden „vorbeiwandern".
Die erste Probe bestand aus säuligen Kristallen, die rosettenartig angeordnet waren und faserige Bruchstellen aufwiesen. Sie waren von blassem Blau, nahmen die Stellung zwei auf der Härteskala ein, ließen Licht durchscheinen und sich in Blättchen spalten. Es handelte sich um Vivianit.
Als zweite Probe wurden flächenreine monokline Kristalle von grünlicher Färbung präsentiert, die die Stellung fünfeinhalb auf der Härteskala einnahmen und die sie als Datolith identifizierte.
Sie wollte gerade die dritte Probe untersuchen, als das Meldesignal des Haustürcomputers ertönte.
Unwillig runzelte sie die Stirn und fragte: „Wer ist da?"
Links neben dem Display ihres Terminals entstand die Holovision von Salomon Toussaint. Der Ordnungshüter trug Zivil: marineblaue Hose, weißes Rüschenhemd mit hochgestelltem Kragen, marineblaue Weste mit spitz ausgestellten Schulterteilen und goldfarbene Stiefeletten mit den modischen hammerförmig verbreiterten Vorderkappen.
Das krause schwarze Haar war von einer Wasserstoffsuperoxidblonden Strähne durchzogen, die von der Stirn bis in den Nacken reichte. Goldene Ohrringe mit roten Korallen kontrastierten mit dem kaffeebraunen Gesicht.
„Hallo, Bella!" rief Salomon und lächelte ein wenig verkrampft.
„Hallo, Salo!" antwortete Eartha und überlegte, was Salomon wollte. Er hatte sich in den letzten vier Jahren immer einmal bei ihr sehen lassen, aber stets im Dienst und sich nach diesem und jenem erkundigt.
Salomon druckste eine Weile herum, dann sagte er: „Äh, ich wollte nicht stören, Bella. Aber ich dachte ... Nun, heute ist das Seefest, und da dachte ich, äh, du könntest ein wenig Abwechslung gebrauchen." Er zog verstohlen seinen Bauchansatz ein. „Würdest du dir nicht gern das große Feuerwerk nachher ansehen?"
Eartha seufzte.
Wie gern hätte sie sich das Feuerwerk angesehen - aber mit Hirt.
„Tut mir leid, Salo, aber ich kann nicht weg. Wenn Eric wach wird, und ich bin nicht da..."
„Aber der Junge ist doch schon vier Jahre alt, Bella!"
„Oh, nein! Er ist noch wie ein Baby."
Diesmal seufzte Salomon.
„Ich weiß. Dann laß doch jemanden vom Babysitterdienst schicken! Du mußt einmal aus deinem Haus und etwas anderes sehen als deinen Display. Ich werde nächste Woche befördert."
„Das freut mich für dich, Salo."
„Danke! Dann reicht es für eine Turbinenjacht und ... und ... ach, zum Teufel! Ich möchte mit einer Frau zusammenleben, aber mir gefällt keine außer dir." Er senkte den Kopf.
„Entschuldige, wenn ich so direkt war."
„Du warst sehr lieb", erwiderte Eartha verlegen. „Aber du weißt doch, daß ich auf Hirt warte."
„Wie lange noch?" begehrte Salomon auf. „Hundert Jahre? Hirt hat doch längst eine andere, sonst hätte er sich gemeldet."
„So etwas würde Hirt niemals tun. Wahrscheinlich hat er in M13 bleiben müssen."
„Warum hat er dir dann nicht eine Nachricht zukommen lassen? Und wenn du das glaubst, warum fragst du nicht einmal bei der KH nach? Er lebt vielleicht
Weitere Kostenlose Bücher