1098 - Das brennende Gesicht
einem Kopfschütteln.
»Ach, ehrlich nicht?«
Wieder der Versuch.
Jan winkte ab. »Ist auch egal, Vater. Wenn der hier ankommt, werden wir ihn gleich richtig empfangen. Nichts darf unser heutiges Fest stören. Daran solltest du dich immer erinnern.« Er winkte ihm noch einmal zu und ging.
Im Flur – er hatte die Tür wieder geschlossen, schaute Jan nach seiner Hand. Die Wunde war noch da. Deutlich zu sehen. Rötlichbraun, eine Folge der Hitze, die in Ole steckte. Jan fürchtete sich nicht mehr davor. Wie auch, denn jetzt gehörte er dazu.
Er dachte daran, wie das Kreuz seines Vaters in Oles Hand Feuer gefangen hatte. Im nachhinein war es wie ein gewaltiger Sieg gewesen. Wazlaw war stärker gewesen als das, auf das Jans Vater immer vertraut hatte. Vielleicht war er unbesiegbar, und Jan konnte sich nun als Verbündeter eines Unbesiegbaren bezeichnen. Allein die Tatsache steigerte die Vorfreude auf den heutigen Abend, und mit einem breiten Lächeln auf den Lippen betrat er auch die Küche, in der Ole hockte. Er hatte sich eine Limo geholt und trank das Zeug aus der Flasche, die er absetzte, als Jan die Tür öffnete. Ole schaute ihn aus schmalen Augen an.
Beide jungen Männer waren blond. Wobei Oles Haare kürzer geschnitten waren als die seines Freundes. Außerdem hatte Ole graue und kleine blauen Augen und eine Stupsnase. Früher war er deswegen oft gehänselt worden, aber die Zeiten lagen zurück. Beide hatten sich entwickelt, außerdem gingen sie jetzt aufs Gymnasium in die letzte Klasse.
»Warum sagst du nichts?«
»Weil alles okay ist.«
»Mit deinen Alten?«
»Ja.«
»Und? Bedauerst du es?«
»Nein. Was sein muß, das muß sein.« Er lachte. »Für uns ist der heutige Abend wichtig, Ole. Wir müssen alle aus dem Weg räumen, die uns stören wollen. Erst dann geht es richtig los.«
»Wie diesen Sinclair.«
»Genau. Hast du ihn gesehen?«
Ole schüttelte den Kopf. »Nein, ich sitze ja hier und schaue aus dem Fenster. Dabei habe ich extra meinen Wagen hinter das Haus gefahren, damit alles normal aussieht. Ich bin mehr als gespannt, wer der Knabe ist. Er wird reden müssen.«
»Es ist aber auch Scheiße, daß er nicht angedeutet hat, worüber er mit meinem Vater sprechen wollte.«
»Warum hast du ihn nicht gefragt?«
»Kann ich dir jetzt auch nicht sagen.«
Ole räusperte sich. »Wie machen wir es denn, wenn er kommt? Sollen wir ihn sofort packen und…«
»Nein, wir lassen ihn reinkommen, sagen ihm, daß mein Vater nicht da ist, dann sehen wir weiter. Wenn er sich wieder verzieht, hat er Glück gehabt, wenn nicht…«
»Moment mal, Jan, so einfach ist das nicht. Wir werden ihn zunächst fragen, was er überhaupt von deinem Alten wollte. Wenn er dann keine richtigen Antworten gibt, hat er Zoff.«
Jan nickte. »Damit bin ich einverstanden.«
Sein Freund blickte auf die Uhr. »Eigentlich müßte er bald hier ankommen.«
Ole streckte seine Beine aus. »Weißt du denn, von wo aus er angerufen hat?«
»Nein, aber er war bestimmt auf der Insel.«
»Das ist klar.«
»Vielleicht sogar in Keitum.«
Ole Gatz sagte nichts mehr. Er drehte sich auf seinem Stuhl, um eine bessere Sicht durch das Fenster zu bekommen. Sein Gesicht hellte sich auf. »Ha, da kommt er.«
»Echt?«
»Klar, sieh selbst.«
Ein VW-Polo war in den schmalen Weg eingebogen, der zum Haus führte. Der leichte Wagen schaukelte über den holprigen Untergrund, während auf den blanken Scheiben die Strahlen der Wintersonne blitzende Reflexe hinterließen.
Ole stand auf. Er rieb seine Hände, die zu seiner kräftigen Gestalt paßten. »Ich freue mich schon auf ihn.«
»Warte ab. Sieh es cool. Zuerst machen wir nichts. Wir lassen ihn reden, aber wenn er frech wird und nicht so will wie wir, dann…«
Er lachte und führte mit der rechten Hand einen Schlag durch die Luft.
Ole Gatz nickte nur…
***
Wer bei diesem Wetter über die Insel fuhr, den Schnee und die Sonne sah, der war schon leicht pervers, wenn er nicht an Urlaub dachte. Mir zumindest gingen die Gedanken nicht aus dem Kopf.
Ich mußte immer daran denken, hier einige Tage ausspannen zu können, aber die Pflicht baute sich wie ein hohes Tor vor diesem Wunsch auf, und das mußte zunächst mal niedergerissen werden.
Ich rollte an der Keitumer Kirche vorbei, warf wenig später einen flüchtigen Seitenblick auf den Friedhof und mußte dann etwas achtgeben, um das Ziel nicht zu verfehlen. Schließlich wollte ich nicht in Kampen landen, so schön dieser Ort an Watt- und
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