1098 - Das brennende Gesicht
Seeseite auch war. Vor allen Dingen jetzt im Winter, wo keine sogenannten Promis und Schaumacher die Insel heimsuchten und auch keine TV-Teams über das Eiland hechelten, um Folgen für irgendwelche Serien zu drehen.
Trotz meiner Aufmerksamkeit wäre ich beinahe vorbeigefahren.
Im letzten Moment sah ich die Häuser auf der rechten Seite und von der Straße weg versetzt.
Den Weg gab es auch. In ihn bog ich hinein. Er war recht schmal, aber gut zu befahren. Claas Claasen hatte mich noch mit einigen Informationen versorgt und mir unter anderem auch das Haus beschrieben, so daß ich nicht lange zu suchen brauchte.
Ein kleines Friesenhaus. Reetgedeckt. Rotes Mauerwerk. Kleine Fenster, ein Garten vorn und auch hinten und eine Mauer, die das Haus umgab.
Schnee lag auf dem Dach, hatte sich auch an den meisten Stellen im Garten verteilt und klebte wie angeleimt an der Mauer.
Ich stieg aus dem Polo und ging auf das Haus des Pfarrers zu. Ein Auto, das eventuell zu ihm gehören könnte, hatte ich nicht in der Nähe parken sehen. Es war also möglich, daß ich Peter Michels noch nicht antraf. Dafür seinen Sohn, der sich am Telefon so ungewöhnlich verhalten hatte. Ungewöhnlich zumindest für den Sohn eines Pfarrers. Meiner Ansicht nach hätte er freundlicher sein können. Aber da gab es auch die andere Seite der jungen Leute, die sich oft genervt fühlten, wenn es nicht um ihre Interessen ging.
Die Haustür war blau angestrichen wie die Fensterläden, und auf der Türmatte las ich die Worte »Herzlich Willkommen«.
Ob das auch für mich galt, da hatte ich so meine Zweifel. Der Name Michels stand in weißen Buchstaben auf einem blauen Schild. Darunter sah ich einen Klingelknopf, auf den ich drückte.
Im Haus bimmelte es, und ich wartete, bis mir geöffnet wurde.
Jemand zog die Tür auf, aber nicht völlig, sondern spaltbreit. Ein blondhaariger Junge mit blauen Augen malte sich ab. Ich schätzte ihn auf 18 oder 19 und nickte ihm freundlich zu.
»Bist du der Sohn?«
»Ja. Ich heiße Jan Michels.«
»Dann kennen wir uns. Zumindest vom Telefon her, denn ich habe vor kurzem angerufen.«
»Sind Sie dieser… ahm … dieser … Sine …«
»Stimmt. John Sinclair ist mein Name. Ich hätte gern mit deinem Vater gesprochen.«
»Der ist nicht da. Das sagte ich Ihnen schon. Er ist auch jetzt noch nicht zurück.«
»Schade.«
»Ja, Ihr Pech!« Er wollte die Tür schließen. Nur hatte ich etwas dagegen, kantete den Fuß hoch und stoppte die Tür.
Die Reaktion des Jungen hatte mir alles andere als gefallen. Mit Menschen hatte ich meine Erfahrungen sammeln können, und er war mir vorgekommen wie jemand mit schlechtem Gewissen. Etwas stimmte nicht. Er hatte mich schnell loswerden wollen, und er hatte es auch nicht geschafft, zu schauspielern.
»He, was erlauben Sie sich? Verschwinden Sie! Mein Vater ist nicht da!«
»Aber er kommt zurück.« Ich bewegte meinen rechten Fuß um keinen Millimeter.
»Ja, irgendwann.«
»Dann warte ich!«
»Nein! Ich will es nicht. Sie haben kein Recht, unser Haus zu betreten!«
»Davon habe ich auch nichts gesagt. Mein Wagen steht in der Nähe. Ich kann dort auf deinen Vater warten. Das ist überhaupt kein Problem, Jan!«
»Verschwinden Sie aus der Nähe!«
Der Junge verlor die Nerven. Das war ziemlich schnell geschehen, und dafür mußte es auch einen Grund geben. Ich konnte mir vorstellen, daß er mehr wußte und auf keinen Fall darüber sprechen wollte. Ich dachte dabei an Paul Pucheim. Wie er vor mir gesessen hatte und dabei sein Gesicht durch die innere Kraft des Feuers verbrannt war. Hier liefen einige Dinge verkehrt, und vermutlich wußte Jan Michels mehr darüber.
»Hau endlich ab!« schrie er. Vor Wut war sein Gesicht rot angelaufen.
Ich hielt den Fuß hoch und stemmte mich auch gegen den Druck.
Im Hintergrund des etwas dunklen Flurs sah ich eine Bewegung.
Der Junge war nicht allein, und schon hörte ich eine zweite noch recht jugendliche Stimme.
»He, was stellst du dich so an, Jan? Laß den Mann doch rein. Dein Vater kommt doch bald. Wir können einen zusammen trinken.«
»Das ist ein Vorschlag«, sagte ich lächelnd.
Jan Michels dachte nur kurz nach. Dann nickte er mir zu. »Ja, wenn Sie wollen.«
»Gern.«
Ich brauchte nicht mehr zu drücken. Er öffnete die Tür, so konnte ich eintreten. Es war ein kleines und gemütliches Haus. Die verschiedenen Türen in diesem Bereich waren hellblau gestrichen, eine Treppe führte nach oben, und eine Tür, die zur Küche führte,
Weitere Kostenlose Bücher