11 - Die Helden des Westens
schußfertig in den Händen hielt, und sagte:
„Seit welcher Zeit dürfen die Häuptlinge der Sioux-Ogellallah tun, was ihnen beliebt? Wozu sind die Versammlungen der alten Väter da? Wer gibt den Häuptlingen ihre Macht? Wer will einen tapferen Krieger der Ogellallah zwingen, einem Häuptling zu gehorchen, welcher die Söhne seines eigenen Stammes wie Nigger behandelt? Wohkadeh ist ein junger Mann. Es gibt tapferere, weisere und berühmtere Krieger in seinem Stamm; aber er hat den weißen Büffel getötet und trägt die Adlerfedern in seinem Schopfe. Er ist kein Sklave. Er läßt sich nicht gefangennehmen, und wer ihn beleidigt, der wird mit ihm kämpfen müssen!“
Das waren stolze Worte, und sie gingen nicht verloren. Die Häuptlinge der Indianer besitzen keineswegs eine erbliche Macht. Ihnen ist nicht die Gewalt eines europäischen Fürsten gegeben. Sie können keine Gesetze machen und keine Verordnungen erlassen. Sie sind aus der Reihe der Krieger gewählt, weil sie sich entweder durch Tapferkeit oder Klugheit oder irgendeine andere Eigenschaft vor den übrigen ausgezeichnet haben. Niemand ist wirklich gezwungen, ihnen zu gehorchen. Selbst wenn ein Häuptling einen Kriegszug veranstalten will, ist die Heeresfolge eine ganz freiwillige. Jeder, dem es beliebt, kann daheim bleiben, wodurch er freilich das Mißfallen der anderen erregt. Auch während des Kriegszuges kann ein jeder zu jeder Zeit zurücktreten. Der Einfluß und die Macht des Häuptlings beruht nur allein auf dem Eindruck, welchen seine Persönlichkeit macht. Er kann beliebig abgesetzt werden.
Der ‚Schwere Mokassin‘, welcher seinen Namen dem Umstand verdankte, daß er sehr große Füße hatte und also eine große Spur trat, war als ein strenger, eigenwilliger Mann bekannt. Zwar hatte er sich bedeutende Verdienste um den Stamm erworben, aber seine Hartnäckigkeit, sein Stolz hatten demselben auch sehr oft geschadet. Er war hart, grausam und blutdurstig. In Beziehung auf den Anhang, welchen er besaß, zerfiel der Stamm in zwei Abteilungen, in solche, welche seine Anhänger waren, und solche, welche entweder offen oder heimlich gegen ihn agitierten.
Dieser Zwiespalt wurde auch jetzt offenbar, als Wohkadeh gesprochen hatte. Mehrere der Sioux ließen anerkennende, zustimmende Ausrufe hören. Der Häuptling warf ihnen einen grimmigen Blick zu, gab einigen seiner treuen Anhänger ein Zeichen, auf welche sie sofort nach dem Eingang eilten, um denselben zu besetzen, damit Wohkadeh nicht entfliehen könne, und antwortete sodann:
„Jeder Sioux-Ogellallah ist ein freier Mann. Er kann tun, was ihm beliebt. Da hat Wohkadeh ganz recht. Aber sobald ein Krieger zum Verräter an seinen Brüdern wird, hat er das Recht verloren, ein freier Mann zu sein.“
„Meinst du, daß ich ein Verräter bin?“
„Ich meine es!“
„Beweise es!“
„Ich werde es beweisen vor der Versammlung dieser Krieger.“
„Und ich werde vor dieselbe treten als freier Mann, mit den Waffen in der Hand, und mich verteidigen. Und wenn ich bewiesen habe, daß der ‚Schwere Mokassin‘ mich ohne Ursache beleidigt hat, wird er mit mir kämpfen müssen.“
„Ein Verräter tritt nicht vor die Versammlung mit den Waffen in der Hand. Wohkadeh wird die seinigen abgeben. Ist er unschuldig, so erhält er sie wieder.“
„Uff! Wer will sie mir nehmen?“
Der junge Mann warf einen kühnen, herausfordernden Blick rund umher. Er sah, daß mehrere Gesichter Teilnahme für ihn zeigten. Die meisten aber blieben kalt.
„Niemand wird sie dir nehmen“, antwortete der Häuptling. „Du selbst wirst sie ablegen. Und wenn du das nicht tust, so wirst du eine Kugel erhalten.“
„Ich habe zwei Kugeln in meinem Gewehr.“
Er schlug bei diesen Worten mit der Hand an den Kolben seiner Büchse.
„Wohkadeh hat, als er von uns ging, kein Gewehr besessen. Wo hat er diese Flinte her? Sie wurde ihm von den Bleichgesichtern geschenkt, und diese verschenken nur dann etwas, wenn sie Nutzen davon haben. Wohkadeh hat ihnen also Dienste geleistet und nicht sie ihm. Wohkadeh ist ein Mandane. Es hat ihn keine Squaw der Sioux geboren. Wer unter diesen tapferen Kriegern will für ihn sprechen, bevor er auf meine Anklage geantwortet hat?“
Keiner regte sich. Der ‚Schwere Mokassin‘ warf dem Jüngling einen triumphierenden Blick zu und gebot ihm:
„Steig also vom Pferd und gib die Waffen ab! Du sollst dich verteidigen, und dann werden wir das Urteil fällen. Durch deinen Widerstand beweisest du nur, daß
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