11 - Die Helden des Westens
seinen Bällen sehen kann. Wir als Westmänner dürfen nich in eener epileptischen Sphäre schwärmen. Wir müssen uns den Grausamkeeten des schwefel- und salpetersauren Erdenlebens anbequemen und dürfen ja nich denken, daß uns jede Schtunde een Sonett vom alten Dessauer oder gar eenen Monolog der Gebrüder Toussaint-Langenscheidt bringen muß. Wir müssen vielmehr die Gelegenheet bei den Hörnern ergreifen. Wir sind fürs praktische Leben beschtimmt, wie Schiller in seinem Nokturne vom Moskauer Glockenturme sagt:
‚Der Mann schtürzt sich blind ins feindliche Leben,
Muß schtoßen und schtreben,
Erraffen und gaffen,
Um Geld anzuschaffen,
Muß wetten und wagen
Mit hungrigem Magen
Und schticht mit der häuslich schnurrenden Schpindel
Zu Tod alles Mord- und Galgengesindel!‘
Grad so, wie wir es mit den Geiern des Llano estacado machen werden.“
Vielleicht hätte er noch mehrere dieser schauderhaften Reime verbrochen, wenn ihm nicht der dicke Jemmy zugerufen hätte:
„Halt ein, halt ein! Willst du uns alle dem Verderben weihen! Gönne dem armen Dichter die ewige Ruhe; wir haben von ganz anderen Dingen zu reden, wie du gehört hast.“
Frank rüstete sich zu einer zornigen Erwiderung, doch Old Shatterhand schnitt ihm das Wort ab:
„Ganz richtig! Unser guter Hobble-Frank hat sich zwar wieder einmal als ausgezeichneter Kenner der deutschen Nationalliteratur bewährt; aber so bedeutend die in seinem Gedächtnis aufgespeicherten Schätze sind, in unserer gegenwärtigen Lage können wir nicht aus ihnen schöpfen. Wir haben keine Zeit dazu, sondern wir sind gezwungen, alle schönwissenschaftlichen Betrachtungen aufzugeben, um uns mit den Notwendigkeiten der gegenwärtigen Lage zu beschäftigen.“
So wurde nun die Unterhaltung auf ernstere Gegenstände geleitet. Old Shatterhand erkundigte sich eingehender nach dem Geschehenen, besonders nach Bloody-Fox, für den er sich sehr zu interessieren schien. Er fragte auch nach den Diamond-Boys, welche der Juggle-Fred erwartete, um sie durch den Llano zu führen. Sodann wurde von diesem letzteren ausführlich gesprochen. Jeder hatte Schreckliches von ihm erfahren, und so hätte sich die Unterhaltung wohl noch lange hingezogen, wenn nicht der Neger Bob mit Helmers' Schwarzen erschienen wäre und mit demselben eine Unterbrechung gebracht hätte. Dieser letztere erkundigte sich nämlich bei seinem Herrn:
„Massa Helmers fragen, wohin tun viele Pferde, wenn nachher kommen?“
„Welche Pferde?“ fragte der Wirt.
„Pferde von Soldaten, welche Offizier fortreiten und holen.“
„Ah! Er ist fortgeritten?“
„Ja, sein fort. Haben vorher sagen, daß will holen viele Reiter nach Helmers Home.“
„Er hat sich also heimlich entfernt! Das beweist, daß er kein gutes Gewissen hat. Wo hinaus ist er denn?“
„Haben legen Sattel auf Pferd, Pferd aus Stall ziehen, sich aufsetzen, um Stall hinum reiten und dann dort, dahin.“
Beim letzten Wort deutete der Neger nach Norden.
„Das ist verdächtig. Man sollte ihm nachreiten. Er sagt, daß sie gewiß kommen werden, daß er sie hier erwarten soll, und reitet ihnen doch entgegen. Ich habe große Lust, ihn einzuholen, um ihn zu fragen, warum er es uns nicht vorher gesagt hat, daß er fort will.“
„Tut es immerhin“, sprach lächelnd Old Shatterhand. „Ihr würdet nicht weit nach Norden kommen!“
„Warum?“
„Weil diese Richtung jedenfalls nur eine Finte von ihm ist. Der Mann ist kein Offizier und trägt doch die Uniform eines solchen. Er führt also nichts Gutes im Schilde. Da er sich durchschaut sah, so hielt er es für geraten, zu verschwinden, und schlägt natürlich eine ganz andere Richtung ein, als diejenige ist, nach welcher er eigentlich will.“
„Aber wohin sollte er wollen? Im Westen und Südwesten liegt der Llano; im Süden ist er gewesen, denn dort kam er her; im Osten hat er nichts zu suchen, also bleibt nur der Norden übrig, wohin er auch geritten ist.“
„Master Helmers, nehmt es mir nicht übel, wenn ich behaupte, daß Ihr Euch irrt. Ich nehme das gerade Gegenteil von dem an, was dieser Mensch gesagt hat. Er ist aus dem Süden gekommen und reitet nach Norden; gut, so bin ich überzeugt, daß er nach Süden will. Ich wette, wenn wir seiner Fährte folgen, so werden wir sehr bald bemerken, daß sie die Richtung in die entgegengesetzte ändert. Das, was er vom Militär erzählte, war Schwindel.“
„Das glaube ich nun selbst auch. Aber warum habt Ihr ihn denn fortgelassen?“
„Weil ich ihm
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