11 - Die Helden des Westens
Old Shatterhand ihn ein wenig ins Examen nehmen wolle. „Von hier an bekennt der Kerl Farbe. Er reitet schnurstracks nach dem Llano, und – – –“
Er hielt bedenklich inne.
„Nun, und – – –?“
„Es scheint, daß er es eilig hat. Der Kreisbogen, den er um Helmers Home geschlagen hat, ist sehr eng; er hat sich nicht Zeit genommen, einen größeren Umweg zu machen. Auch ist er in gestrecktem Galopp geritten. Es muß ihn irgend etwas schnell vorwärts treiben.“
„Und was mag das sein?“
„Ja, wenn ich das sagen könnte, Sir. Da bin ich aber leider mit meinen Kenntnissen zu Ende. Vielleicht erratet Ihr es leichter als ich.“
„Aufs Erraten will ich mich nicht einlassen. Es ist besser, wir gehen sicher. Wir haben ja Zeit und können einige Stunden riskieren. Folgen wir der Fährte möglichst schnell.“
Sie setzten ihre Pferde nun auch in Galopp. Das konnten sie sehr wohl, da die Spur so deutlich war, daß das Lesen derselben nicht den geringsten Aufenthalt machte.
Es war sehr bald zu sehen, daß Helmers Home sich auf der Grenze des kulturfähigen Landes befand. Die Gegend veränderte sehr schnell ihren Charakter.
Nördlich von der Niederlassung hatte es noch Wald gegeben. Südlich von ihr sah man nur noch einzelne Bäume, welche auch verschwanden. Das Gesträuch wurde dünner und seltener; das Büffelgras hörte auf, und an seine Stelle trat Bärengras, ein untrügliches Zeichen, daß der Boden an Sterilität zunahm. Dann zeigte sich immer häufiger der nackte, trockene Sand, und die bisher wellenförmige Oberfläche der Steppe ging in die Form der ununterbrochenen Ebene über.
Nun gab es Sand und überall Sand, nur zuweilen unterbrochen von einer Bärengrasinsel, überragt von den dunkelbraunen Kolben der Blütenstengel.
Später gab es selbst dieses Gras nicht mehr, und an die Stelle desselben traten dichter Strachelrasenkaktus und langgestreckte, schlangenartig kriechende Cereusarten. Stewart hatte diese mit Kaktus bewachsenen Stellen vermieden, da die Stacheln dieser Pflanzen den Pferden leicht gefährlich werden können. Er hatte nur zuweilen seinem Tier eine kurze Zeit zum Verschnaufen gegeben; dann war es, wie die tief eingegrabenen Tapsen zeigten, wieder gezwungen worden, in Galopp zu fallen.
So ging es weiter und weiter. Über zwei Stunden waren vergangen, seit die drei Reiter Helmers Home verlassen hatten. Es waren von ihnen wenigstens fünfzehn englische Meilen zurückgelegt worden, und doch wollte es ihnen nicht gelingen, den Reiter zu sehen, welchem sie folgten. Helmers Pferde waren nicht imstande, den Vorsprung, welchen er hatte, einzuholen.
Da bemerkten sie einen dunklen Streifen, welcher sich von links her spitz in die sandige Ebene schob. Es war eine Erderhöhung, welche aus fruchtbarem Boden bestand, aber doch nur anspruchslose Mesquitesträucher trug. Die Spur zog sich nach dieser zungenartigen Einschiebung hin, welche die drei Reiter in weniger als zwei Minuten erreichen mußten. Da aber hielt Old Shatterhand sein Pferd an, deutete vorwärts und sagte: „Vorsicht! Dort hinter den Sträuchern scheinen Menschen zu sein. Habt ihr nichts gesehen?“
„Nein“, antwortete Fred.
„Mir aber war es ganz so, als ob sich wer oder was bewegte. Wollen uns nach links halten, um das Mesquitegebüsch dazwischen zu bringen.“
Sie schlugen einen Bogen und trieben ihre Pferde an, um die offene Strecke, auf welcher sie so deutlich gesehen werden konnten, möglichst schnell hinter sich zu bringen. Als sie dann das Gebüsch erreichten, stieg Old Shatterhand ab.
„Bleibt hier zurück und haltet mein Pferd!“ sagte er. „Ich will rekognoszieren. Nehmt aber die Waffen zur Hand und seid vorsichtig. Sollte ich schießen müssen, so kommt schnell nach!“
Er bückte sich nieder und schob sich zwischen die Büsche, hinter denen er verschwand. Noch waren kaum drei Minuten vergangen, so kehrte er zurück. Ein vergnügtes Lächeln spielte um seine Lippen.
„Der Offizier ist es nicht“, sagte er. „Auch sind es nicht Kumpane desselben, welche sich da jenseits der Sträucher befinden. Ich glaube, wir machen eine sehr interessante Bekanntschaft. Master Fred, habt Ihr vielleicht einmal von den beiden Snuffles gehört?“
„Von denen? Natürlich!“
„Nun, so steigt einmal ab und kommt mit! Ich habe sie noch nie gesehen, aber den Nasen nach müssen sie es sein.“
„Wie sind sie denn gekleidet?“
„Wollene Hosen und Oberhemden, Schnürschuhe und Biberhüte, Gürtel aus
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