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11 - Die Helden des Westens

11 - Die Helden des Westens

Titel: 11 - Die Helden des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ihn mit seinen gewaltigen Tatzen. Nach der Zeit von einer Minute war der Hund tot – in Stücke gerissen, und der wütende Grizzly wendete sich nun wieder gegen mich.“
    „Aber Euer Vater?“ fragte Davy, welcher selbst wie die anderen mit größter Spannung zugehört hatte. „Wo der Hund ist, da kann der Mann nicht gar fern sein.“
    „Allerdings, denn eben richtete sich der Grizzly wieder unter dem Balken auf, um nach mir zu langen, den Rücken nach der Tür gekehrt, so erschien der Vater unter derselben, im Gesicht bleich wie der leibhaftige Tod.
    ‚Vater, Hilfe!‘ schrie ich auf, einen Stoß nach dem Bären führend.
    Er antwortete nicht. Auch ihm war die Kehle wie zugeschnürt. Er erhob das geladene Gewehr – jetzt wird er schießen! Doch nein, er senkte es wieder. Er war so aufgeregt, daß der Lauf in seinen Händen wankte. Er warf das Gewehr weg, riß den Bowiekneif aus dem Gürtel und sprang von hinten auf das Tier ein. Es mit der linken Hand beim Pelz fassend, trat er seitwärts vor und stieß ihm die lange Klinge bis an das Heft zwischen die bekannten beiden Rippen. Aber augenblicklich sprang er auch wieder zurück, um von dem Bären im Todeskampfe nicht gefaßt zu werden. Das gewaltige Tier stand unbeweglich, röchelte und stöhnte in ganz unbeschreiblicher Weise auf, griff dann mit den Vorderpranken in die Luft und brach tot zusammen. Wie sich später herausstellte, war ihm die Klinge gerade in das Herz gedrungen.“
    „Gott sei Dank!“ meinte Jemmy, indem er tief und laut aufatmete. „Das war Hilfe in der größten Not. Aber Eure Mutter, mein junger Sir?“
    „Die – oh, ich habe sie nicht wiedergesehen.“
    Er wendete sich ab, als ob er sich schäme, und wischte sich mit einer raschen Handbewegung zwei Tränen aus den Augen.
    „Nicht wiedergesehen? Wieso?“
    „Als der Vater mich vom Balken herabgeholt hatte, er zitternd und ich an allen Gliedern bebend, fragte er nach der kleinen Luddy. Laut aufschluchzend erzählte ich ihm, was geschehen war. Ich habe noch niemals wieder ein Menschengesicht gesehen wie dasjenige, welches der Vater dabei zeigte. Es war aschfahl und wie von Stein. Einen Schrei stieß er aus, einen einzigen, aber was für einen! Gebe Gott, daß ich niemals wieder etwas Ähnliches zu hören bekomme! Dann war er still. Er setzte sich auf die Bank und legte das Gesicht in die Hände. Auf meine liebkosenden Worte antwortete er nicht; als ich ihn nach der Mutter fragte, schüttelte er mit dem Kopf; aber als ich dann hinausgehen wollte, um nach ihr zu suchen, faßte er mich beim Arm, daß ich vor Schmerz laut aufschrie.
    ‚Bleib!‘ gebot er mir. ‚Das ist nichts für dich!‘
    Dann setzte er sich wieder nieder und saß da eine lange, lange Zeit, bis das Feuer niedergebrannt war. Dann schloß er mich ein und begann hinter der Hütte zu arbeiten. Ich versuchte, das Moos, welches zwischen die einzelnen Blocks gestopft war, an einer Stelle zu entfernen. Es gelang. Als ich nun hinausblickte, sah ich, daß er eine tiefe Grube anfertigte – der Bär hatte, bevor er in die Hütte kam, meine Mutter überfallen und zerrissen. Ich hab' nicht einmal gesehen, wie Vater sie zur Ruhe gebettet hat, denn er überraschte mich beim Lauschen und sorgte dafür, daß ich nicht wieder an die Wand gelangen konnte.“
    „Schrecklich, schrecklich!“ sagte Jemmy, indem er sich mit dem Ärmel seines Pelzes die Augen wischte.
    „Ja, freilich war das schrecklich! Der Vater ist eine sehr lange Zeit krank gewesen, und der nächste Nachbar schickte einen Mann herüber, ihn zu pflegen und für mich zu sorgen. Dann aber, als er wieder gesund geworden war, haben wir jene Gegend verlassen und – sind Bärenjäger geworden. Wenn Vater hört, daß irgendwo sich ein Bär hat sehen lassen, so läßt es ihm keine Ruhe, bis er demselben eine Kugel oder die Klinge gegeben hat. Und ich – nun, ich kann euch sagen, daß ich auch bereits das meinige getan habe, meine arme, kleine Luddy zu rächen. Erst wollte mir freilich das Herz laut schlagen, als ich den Lauf auf einen Bären hielt; aber ich besitze einen Talisman, welcher mich beschützt, so daß ich dem Grizzly gegenüber ebenso ruhig bin, als ob ich einen Waschbären schießen wollte.“
    „Talisman?“ fragte Davy. „Pah! Gibt's nicht! Junger Mann, glaubt nicht an solchen Unsinn. Das ist Sünde gegen das erste Gebot!“
    „Nein, denn der Talisman, den ich meine, ist von anderer Art, als Ihr denkt. Seht ihn Euch an! Dort hängt er unter der

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