11 - Geheimagent Lennet auf der Insel des Schweigens
Baret, ohne auch nur im geringsten verlegen zu wirken.
Offensichtlich wußte er nichts von den Maßnahmen, die der Sicherheitsoffizier ergriffen hatte, um die Gestrandeten außer Gefecht zu setzen. Lennet wußte allerdings, daß die fünf Atropisten die strikte Anweisung hatten, jedermann zu mißtrauen, auch sich selbst.
Lennet kroch aus dem Zelt. Eine strahlende Sonne ließ die überreiche Vegetation der Insel leuchten. Hundert Meter von der Lichtung entfernt lag wie ein gleißender Spiegel das Meer.
Baret und Madeleine Terran hatten einen Tisch auf die Lichtung getragen, und auf diesem Tisch stand eine Kanne mit duftendem Kaffee. Liane, die nach einer angenehmen Nacht strahlender Laune war, bestrich Brote.
»Stell dir vor, Robinson«, sagte sie zu Lennet. »Das Flugzeug hat eine Panne, und wir können heute morgen noch nicht zurückfliegen.«
Lennet zog eine Grimasse. Doch dann erhellte sich sein Gesicht: »In gewissem Sinn ist das sogar besser so.«
»Haben Sie es denn nicht eilig, zu Ihrer Verlobten zu kommen?« fragte die Sekretärin.
»Meine Verlobte? Nach meinem Schiffbruch fürchte ich, in Zukunft keine Verlobte mehr zu haben«, entgegnete Lennet in einem Ton, der gleichzeitig düster und leidenschaftlich klang. »Sie können sich wohl vorstellen, daß ich es nicht sehr eilig habe, ihr die Nachricht zu bringen.«
Liane kicherte verstohlen. Der alte Meeresforscher wollte das Thema ändern: »Hören Sie, wir haben nachgedacht. Schließlich sind Sie ja beide Franzosen, und wir haben keinen Grund, unsere Forschungen über die fliegenden Fische wie ein Staatsgeheimnis zu hüten.
Wenn Sie unsere Einrichtungen besichtigen wollen, sind Sie uns herzlich willkommen.«
»Das haben wir aber auch gehofft«, bemerkte Liane.
Gleich nach dem Frühstück machten sie sich auf den Weg. Ein Pfad, über den immer wieder riesige schillernde Eidechsen huschten, schlängelte sich durch den Dschungel. Riesige Schmetterlinge, die selbst wie Blüten aussahen, hingen an großen Orchideen. Der Meeresforscher wies mit dem Finger nach oben.
»Sehen Sie da: Jules lauert auf Beute.«
»Jules?« fragte Liane erstaunt. Doch dann stieß sie einen Schrei aus und klammerte sich an Lennet. An einem kräftigen Zweig über dem Weg hing eine riesige Pythonschlange und wiegte den Kopf hin und her.
»Sehen Sie da! Jules lauert auf Beute!« erklärte der alte Meeresforscher
»Sie brauchen keine Angst zu haben«, meinte Baret.
»Jules greift niemals Franzosen an. Er versteht unsere Sprache und findet uns sehr sympathisch. Wenn wir Holländer oder Amerikaner wären, dann wäre das wohl anders!«
Lennet hatte jedoch seine Zweifel und machte einen Bogen, um Jules nicht Gelegenheit zu geben zu beweisen, daß er anderer Ansicht war als Baret.
Der Bau, in dem die Atropisten wohnten, lag auf einem kahlen Hügel. Er war auf nackten Fels gebaut, ein kreisrundes Gebilde aus Beton mit einem flachen Dach. Er wirkte wie ein riesiger Kieselstein. Angestrichen war er in Tarnfarben, damit man ihn vom Flugzeug aus nicht erkennen konnte. Aus seinen Mauern ragten Antennen heraus wie Nähnadeln aus einem Nadelkissen. Die Fensteröffnungen waren schmal wie Schießscharten. Die Tür wirkte stabil wie die Tür eines Panzerschrankes.
Lennet, der den Plan des Gebäudes auswendig kannte, war durch den abweisenden Eindruck des Baus nicht beeindruckt, doch Liane riß erstaunt die Augen auf.
»Wir sind nur wenige Leute«, erklärte Monsieur Baret,
»und die Regierung legt Wert darauf, daß wir uns völlig sicher fühlen. Diese ganzen Befestigungen sind natürlich überflüssig. Kein Mensch denkt daran, uns zu belästigen.«
Die Panzertür öffnete sich, nachdem er einen magnetischen Schlüssel in das elektronisch betätigte Schloß gesteckt hatte. Die Besucher kamen in einen fensterlosen Vorraum, der durch ein Gitter in zwei Räume geteilt wurde. Es hob sich, als Monsieur Baret das Losungswort des Tages in ein unsichtbares Mikrofon geflüstert hatte. Sie kamen in einen Gang, der im Kreis durch das Gebäude führte. An ihm lagen das Eßzimmer, die Küche, der Lagerraum, die fünf Schlafräume, zwei Büros, der Funkraum, ein Laboratorium und die Badezimmer. Jeder dieser Räume hatte als Fenster eine Schießscharte mit starken Gittern und einem stählernen Fensterladen.
»Und was ist in der Mitte des Baus?« fragte Liane arglos.
»In der Mitte?« wiederholte Madeleine Terran fragend.
»Sie meinen in der Mitte?« Monsieur Baret wirkte etwas verstört.
»Ja
Weitere Kostenlose Bücher