11 Kicker und ein falsches Spiel
nur ein unverständliches Stöhnen, während er sich ein paar Tränen aus den Augen quetscht. Donnerwetter, denke ich. Sogar heulen kann der auf Kommando.
»Wird doch wohl nicht so schlimm sein«, knurrt Speckmann und will ihn hochziehen, doch als er Philipp
am Arm packt, gibt dieser einen so gequälten, tierischen Laut von sich, dass Speckmann gleich wieder loslässt.
»Er muss sofort ins Krankenhaus!«, ruft Flo, während er seinem verletzten Freund den Schweià von der Stirn tupft.
Bei dem Wort Krankenhaus zuckt Speckmann zusammen und sieht auf einmal ziemlich blass aus. »Also das mit dem Krankenhaus, Jungs, das muss ja nicht unbedingt â¦Â«
»Ist schon okay«, stöhnt Philipp, der offenbar wieder sprechen kann. »Bringt mich einfach nach Hause.« Das lassen sich Jaromir und Danny nicht zwei Mal sagen. Sie helfen dem Schwerverletzten auf die Beine und führen ihn behutsam vom Acker.
Zeit für Teil zwei der Vorstellung. Als Speckmann zur Trillerpfeife greift, lässt Michi einen filmreifen Hustenanfall vom Stapel. Schon während Philipp am Boden lag, hatte er sich ein ums andere Mal würgend an den Hals gefasst. Doch nun sinkt er auf die Knie und steigert sich in eine Darbietung hinein, die ihm bei jeder Hustenolympiade die Goldmedaille sichern würde.
Wilfried ist sofort bei ihm und legt dem röchelnden Bündel zu seinen FüÃen, das von krampfhaften Zuckungen geschüttelt wird, linkisch die Hand auf die Schulter. »Bei denen hatâs die ganze Familie erwischt«, erkläre ich mit sorgenvoller Miene. »Scheint wohl doch ziemlich ansteckend zu sein. Seine Schwester hat extremes Fieber â¦Â«
»41,6«, bringt Michi würgend über die Lippen, ehe er
sich unversehens aufbäumt und einen so gewaltigen Huster ausstöÃt, dass ein kleiner Spuckeball in hohem Bogen durch die Luft fliegt und auf Wilfrieds kariertem Pullunder landet. Der weicht erschrocken zwei Schritte zurück.
Speckmann bricht das Training entnervt ab. »Das reicht, Männer, Schluss für heute!«
Eigentlich schade, denke ich. Wir sind doch gerade erst richtig in Fahrt gekommen.
Mittwoch, fünfter Spieltag
Tag der Entscheidung, zumindest der Vorentscheidung. Während ich auf dem Fahrrad unserem Schicksalsspiel entgegenstrampele, versuche ich mich mental auf das Kräftemessen mit den Schweizern aus Ohrenhofen vorzubereiten.
Ich habe mal gehört, dass man mehr Selbstvertrauen kriegt, wenn man sich selber lobt. Aber eigentlich fehlt es mir nicht an Selbstvertrauen; auÃerdem wüsste ich auch gar nicht, was ich zu mir sagen sollte. »Du spielst echt gut FuÃball«, könnte ich natürlich sagen, aber das weià ich ja schon. Wahrscheinlich hilft diese Taktik nur bei Leuten, die eben nicht gut FuÃball spielen. Aber das würde ja heiÃen, dass man mehr Selbstvertrauen kriegt, wenn man sich anlügt. Oder wie?
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Als Speckmann eine halbe Stunde vor Spielbeginn schniefend in die Kabine stapft, ist dort ungewöhnlich viel Platz vorhanden. Er trägt eine schwarze Pudelmütze mit Bommel sowie einen gleichfarbigen Wollschal. Offenbar hat er sich gestern auf der matschigen Wiese die FüÃe verkühlt. Sein üblicher brauner Trainingsanzug
ist einem identischen Modell in Hellgrau gewichen, das allerdings auch nicht viel besser aussieht. Wilfried hingegen besticht mal wieder durch seinen modischen Einfallsreichtum und trägt zu seinen braunen Sandalen einen lila-grünen Jogginganzug aus Ballonseide. Wahrscheinlich lässt sich der besser desinfizieren, falls er noch mal von einem grippekranken Spieler angespuckt wird.
Flo meldet unverzüglich das Fehlen unserer angeschlagenen Kicker: Philipp, flunkert er, habe die ganze Nacht kein Auge zugemacht und könne sein Bett nur mit fremder Hilfe verlassen. Michi habe 40 Grad Fieber und darüber hinaus seine Stimme verloren. In beiden Fällen drohe ein längerfristiger Ausfall.
»Dachte ich mir schon«, krächzt Speckmann mit heiserer Stimme und deutet auf Wilfried, der eine Magnettafel aus seiner Tasche geholt hat und sich anschickt, die erste Kabinenansprache seines Lebens zu halten.
Er räuspert sich zwei Mal. »Tja ⦠ähm ⦠der Trainer ist krank, also mach ich das jetzt.« Für Wilfrieds Verhältnisse eine bemerkenswert elegante Einleitung. »Wir dürfen heute nicht verlieren, sonst ist der Pokal futsch«, fährt er
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