11 Kicker und ein falsches Spiel
restliche Spielzeit mit einem Mann weniger auskommen, weil Michi in seiner Stinkwut dem Schiri ein wahres Wort entgegengeschleudert hat. Genauer gesagt, sind wir sogar zwei Mann weniger, weil der sogenannte Unparteiische jeden, aber auch jeden Zweikampf gegen uns pfeift und auch sonst keine Gelegenheit auslässt, uns zu benachteiligen. Aber manchmal wachsen dezimierte und benachteiligte Mannschaften ja über sich hinaus, und genauso ist es auch heute. Seit Flos Doppeltreffer steigern wir uns in einen wahren Spielrausch hinein.
Ich weià nicht, wie ich das erklären soll, aber in diesem Moment bin ich mir so sicher, wie man nur sein kann, dass wir den Platz als Sieger verlassen werden. Ich glaube, jeder von uns spürt, dass uns heute nichts und niemand mehr aufhalten kann. Jeder Pfiff gegen uns, jede Fehlentscheidung zugunsten des Gegners macht uns nur noch stärker. Sollen doch alle gegen uns sein, denke ich in wildem Zorn. Wir nehmen es mit den Spaniern, mit Speckmann, dem Schiri und dem Nutella-Fluch gleichzeitig auf.
Die Spanier aus Moppeln scheinen plötzlich Wackelpudding in den Beinen zu haben. Auch sie spüren wohl, dass sie dem Abgrund unaufhaltsam entgegenrutschen
und nichts dagegen tun können. Immer häufiger verspringt ihnen der Ball. Immer öfter irrt ihr Keeper wie ein aufgescheuchtes Huhn durch den Strafraum, um die Patzer seiner Vorderleute auszubügeln.
Es läuft bereits die Nachspielzeit, als Paco und Pablo gemeinsam einen spanischen Verteidiger unter Druck setzen, bei dem die Nerven mehr als blank liegen. Der legt panisch den Rückwärtsgang ein und will den Ball genau in dem Moment zu seinem Keeper zurückspielen, als dieser seinen Kasten verlässt, um ihm zur Hilfe zu eilen. Die Kugel kullert gemächlich am entsetzten Torwart vorbei und findet mit ihren letzten Umdrehungen den Weg in die Maschen. Danach pfeift der Schiedsrichter sofort ab. Die Spanier sinken enttäuscht auf den Rasen. Wir starten auf dem Spielfeld unsere Siegesparty, während Michi und Wilfried an der Seitenlinie etwas aufführen, das aussieht wie der Tanz einer Maus mit einem Elefanten.
Speckmann steht müde auf, klatscht zwei Mal in die Hände und ruft: »Bravo, Männer!« Doch er macht dabei ein Gesicht, als würde er seiner eigenen Beerdigung zusehen.
Montag, spielfrei
»Welch Glanz in meiner Hütte!«, ruft Ernie erfreut, als Benno, Flo und ich gegen 17 Uhr über die Schwelle des Vereinsheims schlurfen. »Also drei waschechte WM-Halbfinalisten hab ich hier noch nie bewirten dürfen. Jungs, ich bin ja so stolz auf euch! Dass der alte Ernie das noch erleben ⦠warum guckt ihr denn so komisch? Ist irgendwas?«
»Ach, nichts Besonderes«, murmele ich.
»Sind nur ein bisschen müde«, fügt Flo hinzu.
»Und ein bisschen hungrig«, ergänzt Benno.
»Hmm.« Ernie legt den Putzlappen weg, mit dem er gerade noch die dunkelbraunen Holztische abgewischt hat. Dann kneift er die Augen zusammen und schaut prüfend von einem zum anderen. »Könnte es sein«, beginnt er vorsichtig, »dass ihr irgendwas auf dem Herzen habt?«
Wir zucken die Schultern und nuscheln unverständliches Zeug. Nö, alles in Ordnung, soll das heiÃen.
»Verstehe â¦Â«, fährt Ernie fort, zuckelt mit seinem schaukelnden Gang hinter die Theke und wirft den Lappen in einen Putzeimer. »Ihr seid also an eurem spielfreien Tag extra bei mir vorbeigekommen, weil ihr so
müde seid, nichts Besonderes zu tun habt und euch in meiner Kneipe ordentlich den Bauch vollschlagen wollt, richtig?« Mit diesen Worten schiebt er Benno eine Schale mit Erdnüssen entgegen.
Wir treten verlegen von einem Bein auf das andere und schweigen wie drei verstockte kleine Jungs, die irgendwas ausgefressen haben.
»Herrjemine!«, seufzt Ernie und latscht zur Eingangstür. Dann dreht er das Schild, das auÃen an einer Kette hängt, von »Geöffnet« auf »Vorübergehend geschlossen« und schlieÃt von innen die Tür ab.
»So Jungs, dann mal raus mit der Sprache. In circa einer halben Stunde kommen hier nämlich die ersten Gäste.«
Flo räuspert sich und scheint nach den richtigen Worten zu suchen. »Wir ⦠ähm ⦠haben dir doch neulich schon erzählt, dass Speckmann uns im Training immer total fertigmacht.«
»Und sich für die Spiele eine absolut schwachsinnige Taktik ausdenkt«, rede ich
Weitere Kostenlose Bücher