11 Kicker und ein falsches Spiel
Bennos Untergang besiegelt. Bestimmt hat er keine Ahnung, dass jedes Nutellabrötchen ein weiterer Sargnagel für seine hoffnungsvolle Karriere sein könnte.
Und es geht ja nicht nur um ihn. Seine Nutella-Sucht wird uns alle mit in den Abgrund reiÃen. Unser ganzes Südafrika-Projekt ist zum Scheitern verurteilt, wenn ausgerechnet unser Abwehrchef von den Nutellagöttern verflucht wird. Erste Anzeichen sind ja bereits unübersehbar: Wer wurde im ersten Spiel nicht eingesetzt? Benno! Wer durfte gegen Portugal erst zur zweiten Halbzeit ran? Benno! Und wer war beim 1:0 der Schweizer nicht wie gewohnt zur Stelle? Auch Benno!
Es ist wie verhext, aber auf dem steinigen Weg nach Südafrika bleibt uns auch wirklich gar nichts erspart! Die anderen Mannschaften können sich ganz aufs Kicken konzentrieren, und wir? Wir müssen nicht nur die anderen Teams inklusive der furchteinflöÃenden Kowalskis ausschalten, sondern darüber hinaus unserem eigenen Trainer - einem berüchtigten Langfinger und Betrüger - das Handwerk legen und nebenbei auch noch den Nutella-Fluch besiegen.
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Als ich später neben Benno in der Kabine sitze, beschleichen mich düstere Vorahnungen, aber jetzt ist definitiv nicht der richtige Zeitpunkt, um mit meinem stämmigen Kumpel eine Grundsatzdiskussion über seine Ernährungsgewohnheiten zu führen. Deshalb frage ich nur kurz nach: »Hast du heute morgen Nutella gegessen?«
»Klar«, antwortet Benno. »Fünf Toasts, warum?« »Ruhe auf den billigen Plätzen!«, poltert Speckmann, der leider wieder bei Stimme ist und auch ansonsten frisch und erholt wirkt. »Ich freue mich auÃerordentlich,
euch so zahlreich begrüÃen zu können«, fährt er mit schleimigem Lächeln fort und zeigt uns seine gelben Zähne. »Heute geht es um Leben und Tod, Männer, denn heute werden wir die spanischen Toreros auf die Hörner nehmen!«
»Olé!«, grunzt Wilfried, der zur Feier des Tages ein knallrotes Polohemd, GröÃe XXL, trägt, das in seiner blauen Trainingshose steckt und durch zwei gelbe Hosenträger gesichert wird. Ich frage mich wirklich, woher der seine Klamotten hat.
»Wie die wilden Stiere werden wir über sie herfallen und den Zuschauern ein unvergessliches Spektakel bieten!« Speckmanns Stimme steigert sich zu einem bedrohlichen Grollen. »Gegen die Portugiesen konntet ihr eure Angriffslust ja nicht zügeln, also habe ich mir gedacht, okay, Günter, dann lass die Jungs eben angreifen, wenn das ihrer Natur entspricht.«
Mit diesen Worten haut er - zack, zack, zack, zack, zack - fünf weiÃe Kreuze auf die grüne Tafel, die sich allesamt in der gegnerischen Hälfte befinden. Das sechste Feldspielerkreuz platziert er in der Mitte unseres eigenen Strafraums.
»Paco, Flo, Danny, Philipp und Basti, ihr schnürt denen vorne die Luft ab. Und wenn sich doch mal ein Spanier in unseren Strafraum verirrt, dann macht Benno den unschädlich.«
Oh nein, ausgerechnet heute lässt der mich drauÃen, denke ich traurig. Dabei hatte ich mich so auf das Spiel gefreut.
Speckmann legt die Hand auf die Türklinke. »Und ich will keinen unserer Angreifer in der eigenen Hälfte sehen!«, ruft er und lässt seinen Blick bedrohlich in die Runde schweifen. »Keinen!«
Damit reiÃt er die Tür auf und marschiert aus der Kabine. Wilfried trottet ihm hinterher wie ein folgsames Kalb, doch ehe einer von uns ihnen folgen kann, springt Flo blitzschnell auf und drückt die Tür behutsam ins Schloss.
»Hört mal zu, Jungs«, beginnt er mit eindringlicher, leiser Stimme. »Ihr wisst, was wir Andi versprochen haben. Wir machen unser Spiel. Wenn wir alle zusammenhalten, kann uns Speckmann nichts anhaben. Wir sind ein Team, und das heutige Match werden wir nicht nur für uns, sondern auch für Andi gewinnen. Vielleicht ist er schon das nächste Mal wieder dabei. Noch drei Siege - nur noch drei Siege! -, dann fliegen wir alle zusammen nach Südafrika!«
Wir bilden einen Kreis und legen uns die Arme um die Schultern. All unsere Ãngste scheinen plötzlich verflogen zu sein. Und als hätten wir nicht mehr das Geringste zu verbergen, schallt im nächsten Moment ein dreifacher Schlachtruf aus elf entschlossenen Kehlen: »Wir sind ein Team! Wir sind ein Team! Wir sind ein Team!« Danach fühlen wir uns bereit, es mit jedem Gegner der Welt aufzunehmen.
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