11 Kicker und ein falsches Spiel
hat er doch immer auf dem Trainingsplatz dabei«, gebe ich zu bedenken. »Oder willst du ihn etwa höflich um Erlaubnis fragen: âºLieber Herr Speckmann, würden Sie uns freundlicherweise mal kurz
Ihren Wohnungsschlüssel überlassen? Wir halten Sie nämlich für einen üblen Ganoven und Giftmischer, der so schnell wie möglich hinter schwedische Gardinen gehört. Sobald wir genügend Beweismaterial gesammelt haben, kriegen Sie den Schlüssel wieder zurück. Schönen Tag noch!â¹Â«
»Lasst mich nur machen«, beschwichtigt Flo. »Die Tasche lässt er doch meistens ganz vorne am Eingangstor stehen. Ihr lenkt Speckmann und Wilfried ab, und ich schnapp mir den Schlüsselbund.«
»Und wie willst du erklären, dass du mal eben für eine halbe Stunde vom Training verschwindest?«
»Tja, es wäre natürlich das Beste, wenn wir einen Kurier hätten«, gibt Flo zu. »Und zwar einen, der etwas älter ist als wir, damit es beim Schlüsseldienst auch keine Schwierigkeiten gibt.«
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So kam ich auf die Idee mit meiner Schwester Jule, die Gott sei Dank keine lästigen Fragen stellte, sondern nur eines wissen wollte: »Was krieg ich dafür?«
Ich musste ihr die Hälfte meines heimlichen SüÃigkeitenvorrats abtreten und auÃerdem versprechen, zwei Mal für sie den Abwasch zu übernehmen. Eine hundsgemeine Erpressung war das, aber Speckmann war in diesem Moment einfach wichtiger, also willigte ich ein.
Zu unserem »Vorbereitungstraining« auf das morgige Halbfinale sind wir natürlich früh genug erschienen, um Speckmanns Ankunft auf dem Parkplatz überwachen zu können. Wir gehen am Maschendrahtzaun unseres Trainingsplatzes
in die Knie und spähen durchs Gebüsch, als um fünf vor drei eine grüne Schrottkarre, Kennzeichen VEL-GS-2403, auf den Parkplatz rollt und mit einem scheppernden Geräusch vor dem Klubhaus hält. Beide Vordertüren fliegen quietschend auf. Mit angehaltenem Atem beobachten wir, wie Speckmann auf der Fahrerseite aussteigt und den Hosenbund seines braunen Trainingsanzugs nach oben zieht. Dann wälzt sich Wilfried aus der Beifahrertür und bringt dadurch den ganzen Wagen zum Schaukeln. Speckmann schlieÃt ab und lässt den Schlüsselbund in der Vordertasche seiner schwarzen Pumatasche verschwinden. Bingo! Das war es, was wir hatten sehen wollen.
Als Speckmann, der Schleifer, uns wenig später zum Warmmachen quer über den Platz hüpfen, hinken und robben lässt, blicken wir immer wieder verstohlen zum Zaun hinüber, hinter dem jeden Moment unser »Kurier« auftauchen muss. Und richtig: Als wir nebeneinander über die Grasnarbe kriechen, sehe ich, wie Jule mit ihrem grünen Fahrrad auf den Parkplatz einbiegt. Dann hören wir ein dreifaches Klingeln - unser Erkennungszeichen.
Jule weiÃ, dass sie sich eventuell ein bisschen gedulden muss, bis sich für uns eine günstige Gelegenheit ergibt, an Speckmanns Tasche heranzukommen. Wilfried wirft jedem Zweiten von uns ein Seil zu. Das sollen wir uns um die Hüften binden und anschlieÃend sprinten, was das Zeug hält, während uns ein Mitspieler am Seil festhält. Das Praktische an dieser Ãbung ist, dass man so
tun kann, als ob man sich wahnsinnig anstrengt, während man in Wahrheit gemütlich auf der Stelle trabt.
Kurz darauf sieht es so aus, als seien sechs wilde Pferde von sechs Cowboys mit dem Lasso eingefangen worden. Danny, der beim Pärchenbilden übrig geblieben ist, hängt an Wilfrieds Lasso. Flo und Benno, die ebenfalls ein Paar bilden, haben sich bereits ein Stück weit an Speckmanns Sporttasche herangepirscht. Soll ich unser Trainerteam jetzt etwa alleine ablenken oder wie? Mann, Mann, Mann! Ich gebe Paco ein Zeichen, dass er mal kurz mein Seil loslassen soll. Dann marschiere ich mit schweiÃnassen Händen und wild pochendem Herzen auf Speckmann zu, der neben Wilfried steht, und nehme all meinen Mut zusammen. »Ich hab da mal einen Vorschlag, Herr Speckmann.«
»Einen Vorschlag?«
»Wir könnten doch Wilfried das Seil um den Bauch binden und versuchen, ihn mit drei Leuten festzuhalten. Das wäre bestimmt lustig ⦠und ganz schön anstrengend!«
Wilfried winkt gleich ab. »Nee, nee, den Unsinn lassen wir lieber.«
Speckmanns Mund verzieht sich zu einem breiten Grinsen. Man sieht sofort, dass ihm die Idee gefällt. »Aber klar doch,
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