11 - Menschheitsdämmerung
der höchstens zwei Personen nebeneinander Platz bot.
»Der Beschleuniger weist eine Länge von knapp siebenundzwanzig Kilometern in Kreisform auf«, erläuterte der Professor, der sich offenbar wieder der Rolle des Führers erinnerte. »Tatsächlich handelt es sich um zwei parallel verlaufende Beschleunigerringe, in denen die Teilchen auf eine Schwerpunktenergie von jeweils 7 TeV gebracht werden, was sich bei der Kollision zu 14 TeV summiert. Das entspricht annähernd Lichtgeschwindigkeit …«
Erneut blendete Voltan das Technikgefasel des Professors aus. Er legte eine Hand auf die Umhängetasche und spürte das Vibrieren der Maschine durch das Material hindurch. Aber da war noch mehr. Merkwürdige Eindrücke, die so gar nicht in diese Umgebung passen wollten, huschten ihm durch das Bewusstsein. Zu schnell, um sie deuten zu können. Es fühlte sich an, als blitze auf einem Monitor ein Bild auf, doch bevor man es erkannte, war es schon wieder verschwunden.
Instinktiv nahm er die Hand weg. Wie lange mochten sie wohl gehen müssen? Wo war ihr Ziel? In einem der anderen Detektoren vielleicht? Und wenn dort ebenfalls ein Zutrittsverbot herrschte?
In unregelmäßigen Abständen zweigten Türen und Gänge nach rechts ab. »Werkzeugräume, Labors, aber auch Toiletten«, hörte er Martins Stimme. »Wenn einen hier unten ein menschliches Bedürfnis packt, kann der nächste Ausstieg zuweilen weit entfernt liegen.«
Welche Strecke mochten sie schon zurückgelegt haben? Zwei Kilometer? Jeder Schritt brachte sie näher an den Knotenpunkt der Energielinien, das konnte Voltan deutlich spüren. Inzwischen glaubte er die Maschine auch zu hören. Wie ein aufgeregter Bienenschwarm, der der Umhängetasche entfliehen wollte.
Doch auch Lescroart schien immer nervöser zu werden.
»Ich denke, jetzt haben Sie genug gesehen«, sagte nach weiteren fünf Minuten Professor Martin. »Ihnen dürfte ja aufgefallen sein, dass sich der Anblick kaum ändert.«
»Wir gehen weiter«, erwiderte der Mann in Weiß mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete.
Ihr Führer zeigte sich von dem harschen Ton so verblüfft, dass er minutenlang schweigend vor ihnen herstapfte. Bis er plötzlich wie angewurzelt stehen blieb. Er starrte auf einen Kabelstrang, der auf dem Boden verlief und nach rechts in einer Abzweigung verschwand. »Was ist das?«
»Nichts, was Sie etwas anginge«, brauste Dr. Lescroart auf. »Dr. Germaine hat mir zugesichert, dass sich während meiner Experimente niemand hier unten aufhält. Deshalb bestehe ich darauf, dass wir nun alle umkehren!«
Die Indios scherten sich nicht darum und gingen weiter.
»Sie sind gar kein Filmteam!«, brüllte Lescroart plötzlich.
Wie angewurzelt blieb Voltan stehen und drehte sich zu dem Wissenschaftler um. Dessen Augen leuchteten förmlich.
»Ich habe Sie durchschaut!« Sein Ton ähnelte dem Gekeife einer alten Frau. »Sie wollen unsere Technik stehlen! Wer hat Sie geschickt?«
Wovon faselte der Kerl da? Was für eine Technik?
Lescroart machte einen Schritt auf Voltan zu und packte ihn an den Schultern. »Zeigen Sie mir Ihre Ausrüstung! Was schmuggeln Sie hier herein?«
Damit kam er der Wahrheit gefährlich nahe. Wann wollte der Mann in Weiß einschreiten?
»Lassen Sie mich in Ihre Tasche schauen!«, forderte Lescroart. »Da drin summt etwas. Ich kann’s hören!«
Martin schob Lescroart von Voltan weg. »Beruhigen Sie sich! So geht man nicht mit Gästen um.«
»Sie können mich mal!« Lescroart stieß Martin von sich weg. Der taumelte einige Schritte nach hinten.
Voltan sah das Unheil kommen, noch bevor es eintrat. »Haltet ihn!«, rief er seinen Brüdern zu.
Doch es war zu spät – und so geschah, was nicht hätte geschehen dürfen. Professor Martin stolperte auf den Mann in Weiß zu – und durch ihn hindurch.
Allerdings nicht so glatt, wie Voltan es erwartet hätte. Vielmehr wirkte es, als falle der Wissenschaftler durch eine zähe Masse. Sein Gesicht verzog sich zu einer Grimasse des Schmerzes, der Körper zuckte wie in epileptischen Krämpfen.
»Was …«, begann Dr. Lescroart, doch Martins infernalischer Schrei übertönte ihn.
Im nächsten Moment brach der Schrei abrupt ab. Der Professor löste sich in gespenstischer Lautlosigkeit aus dem Mann in Weiß und fiel zu Boden. Dort krümmte er sich wimmernd in Embryonalhaltung zusammen.
Lescroart hielt sich nicht mit Diskussionen auf. Er warf sich herum und rannte davon. Huracan wollte sich an die Verfolgung machen, doch
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