11 - Nie sollst Du vergessen
tragen.«
Er hatte keine Chance gehabt, zu protestieren, und nicht den Mut, vor ihrer Ankunft zu verschwinden. Kaum zehn Minuten später kam sie hereingerauscht und stellte ihm eine Auflaufform mit ihrer Spezialität, einem Shepherd's Pie, auf den Tisch. Mit schwungvoller Geste zog sie die Alufolie ab, um das Meisterwerk ihrer Kochkunst zu enthüllen, das, wie er sah, widerlich perfekt war, mit akkuraten kleinen, von der Gabel gezogenen Furchen in der Kartoffelpüreedecke, die wie kleine Wellen aussahen. Mit einem Lächeln sagte sie: »Er ist nicht mehr ganz heiß, aber wenn wir ihn in die Mikrowelle schieben, ist er im Nu wieder warm. Du musst etwas essen, Teddy. Ich weiß doch, dass du keinen Bissen zu dir genommen hast. Nicht wahr?«
Ohne auf seine Antwort zu warten, marschierte sie zum Mikrowellenherd, schob den Auflauf hinein und klappte die Glastür zu. Dann machte sie sich geschäftig daran, den Tisch zu decken, holte mit der Selbstverständlichkeit der Frau, die sich bestens auskennt, Geschirr und Besteck aus den Schränken.
»Du bist todunglücklich«, sagte sie. »Ich sehe es deinem Gesicht an. Es tut mir so Leid. Ich weiß, wie gut ihr befreundet wart. Eine Freundin wie Eugenie zu verlieren ... Du musst deinen Schmerz zulassen, Teddy.«
Freundin, dachte er, nicht Geliebte. Nicht Ehefrau, nicht Lebensgefährtin oder Partnerin. Nur Freundin.
In diesem Moment hasste er Georgia Ramsbottom. Er hasste sie nicht nur, weil sie in sein Alleinsein eingebrochen war wie ein Eisbrecher in stille arktische Gebiete, sondern auch, weil sie so widerlich scharfsichtig war. Sie sagte, ohne es auszusprechen, was er sich nicht zu denken erlaubt hatte: Das Band, durch das er sich mit Eugenie verknüpft geglaubt hatte, war nur ein Produkt seiner Fantasie und seiner Wünsche gewesen.
Frauen, die sich für einen Mann interessieren, zeigten ihr Interesse. Sie zeigten es schnell und ohne Scham. Anders ging es nicht in einer Gesellschaft, in der die Konkurrenz so groß war. Diese Erfahrung hatte er mit Georgia gemacht und ebenso mit den Frauen, die vor ihr versucht hatten, sich diesen nicht unattraktiven Witwer zu angeln. Die hatten den Schlüpfer schon unten, ehe man beruhigend sagen konnte: Keine Angst, ich bin kein Draufgänger. Oder sie gingen einem gleich selbst an die Wäsche. Aber Eugenie war nicht so gewesen. Die jungfräuliche, unschuldige, gottverdammte Eugenie.
Ihn überfiel eine solche Wut, dass er Georgia zunächst überhaupt nicht antworten konnte. Am liebsten hätte er mit beiden Fäusten auf irgendetwas eingeschlagen und es zu Kleinholz gemacht.
Georgia nahm sein Schweigen als Zeichen eiserner Selbstbeherrschung, jener unerschütterlichen Contenance, auf die jeder Brite stolz ist, der etwas auf sich hält. Sie sagte: »Ich weiß, ich weiß. Es ist schrecklich, nicht wahr? Je älter wir werden, desto häufiger müssen wir uns für immer von Freunden verabschieden. Gerade deshalb ist es so wichtig, die kostbaren Freundschaften, die uns bleiben, zu pflegen. Du darfst dich nicht von denen unter uns abkapseln, die dich lieben. Das werden wir nicht zulassen.«
Sie griff über den Tisch und legte ihm ihre Hand mit den schweren Ringen auf den Arm. Er dachte flüchtig an Eugenies Hände - welch ein Gegensatz zu diesen Klauen mit den roten Krallen. Ringlos, mit kurz geschnittenen Nägeln und kleinen hellen Monden.
»Zieh dich jetzt nicht zurück, Teddy«, sagte Georgia und griff ein wenig fester zu. »Wende dich nicht von uns ab. Wir sind da, um dir über diese Zeit hinwegzuhelfen. Du bist uns wichtig. Wirklich. Du wirst sehen.«
Als hätte es ihre kurze misslungene Liaison mit Ted nie gegeben. Sein Versagen und die Verachtung, die sie ihm entgegengebracht hatte, schienen in ein fernes Land verbannt. Die Jahre ohne Mann, die danach gefolgt waren, hatten sie offenbar gelehrt, zwischen wichtig und unwichtig zu unterscheiden. Sie war eine andere geworden, das würde er bald merken; sobald sie es geschafft hatte, sich wieder in sein Leben einzudrängen.
Dies alles entnahm Ted dem Zugriff ihrer Hand auf seinen Arm und dem klebrigen Lächeln, mit dem sie ihn ansah. Ekel stieg in ihm auf. Er brauchte dringend frische Luft.
Abrupt stand er auf. »Der Hund«, sagte er und rief barsch, »P. B.! Wo hast du dich verkrochen? Komm.« Zu Georgia sagte er:
»Tut mir Leid. Ich wollte gerade mit dem Hund gehen, als du angerufen hast.«
So floh er, ohne sie aufzufordern, ihn auf dem Abendspaziergang zu begleiten, ohne ihr eine
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