Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
11 - Nie sollst Du vergessen

11 - Nie sollst Du vergessen

Titel: 11 - Nie sollst Du vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
Vom Netzwerk:
Chance zu geben, selbst den Vorschlag zu machen. »P. B.?«, rief er noch einmal. »Komm schon, meine Alte. Gassi gehen.«
    Und weg war er, ehe Georgia Zeit hatte zu reagieren. Er wusste, sie würde annehmen, dass sie zu forsch angegriffen und ihn damit kopfscheu gemacht hatte. Auf eine andere Idee würde sie gar nicht kommen. Und das war wichtig, erkannte Ted plötzlich. Das war sogar sehr wichtig: die Frau möglichst wenig über ihn wissen zu lassen.
    Er ging schnell, von neuem Zorn gepackt. Dumm, sagte er sich. Dumm und blind. Wie ein Schüler, der dem Lokalflittchen nachläuft und keine Ahnung hat, dass sie ein Flittchen ist, weil er zu jung, zu unerfahren, zu verknallt und total - gutmütig ist. Ja, genau! Total gutmütig.
    Wie ein Wilder stürmte er, den armen alten Hund rücksichtslos hinter sich her zerrend, zum Fluss hinunter. Er musste weg von Georgia und war entschlossen, so lange auszubleiben, bis er sicher sein konnte, dass sie bei seiner Rückkehr das Feld geräumt hatte. Nicht einmal Georgia Ramsbottom würde ihre Chancen verspielen, indem sie gleich am ersten Abend alles auf eine Karte setzte. Sie würde gehen; sie würde sich ein paar Tage rar machen. Erst wenn sie hoffen konnte, dass er sich von dieser ersten Attacke einigermaßen erholt hatte, würde sie wieder aufkreuzen und ihm von neuem ihre warme Anteilnahme anbieten. Ted wusste, dass er sich darauf verlassen konnte.
    Am Ende der Friday Street bog er nach links ab und ging am Fluss weiter. Auf dem Pflaster unter den Straßenlampen sammelten sich gelbe Lichtpfützen, und der Wind peitschte den dichten Nebel zu Wellen auf, die direkt vom Fluss heraufzusteigen schienen. Ted schlug den Kragen seiner Jacke hoch und sagte:
    »Komm, meine Schöne«, zu der Hündin, die sehnsüchtig ein Gebüsch in der Nähe beäugte, vermutlich mit dem Wunsch, unter ihm ein kleines Nickerchen zu halten. »P. B., komm jetzt!« Er riss an der Leine, und das wirkte wie immer. Sie eilten weiter.
    Ehe er es sich versah, ehe er auch nur mit einem Gedanken an das Schauspiel dachte, dessen Zeuge er hier am Abend von Eugenies Tod geworden war, fand er sich auf dem Friedhof wieder. P. B. zerrte ihn zum Rasen wie ein müdes Pferd, das den Stall sucht, hockte sich sofort nieder und ließ Wasser, ehe er sie dazu bewegen konnte, sich eine andere Stelle zu suchen.
    Unwillkürlich schweifte Teds Blick von dem Hund zu den Gemeindehäusern am Ende des Fußwegs. Nur einen schnellen Blick würde er riskieren, um zu sehen, ob die Frau, die im dritten Haus rechts wohnte, ihre Vorhänge geschlossen hatte. Wenn nicht und wenn Licht brannte, würde er ihr einen Dienst erweisen und sie darauf aufmerksam machen, dass jeder Vorübergehende ihr direkt ins Zimmer sehen und - äh - feststellen konnte, ob es in dem Haus etwas zu holen gab.
    Das Licht war an. Auf zum guten Werk des Tages. Ted zog P. B. von dem umgekippten Grabstein weg, den sie schnüffelnd umrundete, und eilte mit ihr im Schlepptau so schnell es ging den Fußweg hinunter. Er musste das Haus erreichen, bevor die Frau drinnen etwas tat, was sie beide in eine peinliche Situation bringen konnte. Wenn sie einmal begonnen hatte, sich zu entkleiden wie neulich abends, könnte er schlecht bei ihr anklopfen und sie auf ihren Leichtsinn hinweisen. Damit würde er ja zugeben, dass er sie beobachtet hatte.
    »Komm schon, P. B.«, sagte er. »Ein bisschen schneller.«
    Aber er kam fünfzehn Sekunden zu spät. Fünf Meter war er noch vom Haus entfernt, da begann sie, sich auszukleiden. Und mit einem Tempo, das ihm nicht einmal Zeit ließ, sich abzuwenden, bevor sie ihren Pulli ausgezogen, ihr Haar ausgeschüttelt und ihren Büstenhalter abgelegt hatte. Sie bückte sich nach irgendetwas - ihren Schuhen? Strümpfen? -, und ihre Brüste fielen schwer schwingend nach vorn.
    Ted schluckte krampfhaft. Großer Gott, dachte er und spürte die erste pulsende Reaktion seines Körpers. Er hatte sie schon einmal beobachtet, hatte schon einmal hier gestanden und mit Blicken diese vollen, üppigen Rundungen nachgezeichnet. Auf keinen Fall durfte er sich das ein zweites Mal erlauben. Man musste sie aufmerksam machen. Man musste sie warnen. Sie musste Bescheid wissen! Aber welche Frau wusste nicht Bescheid? Welche Frau hatte nicht gelernt, abends bei erleuchtetem Fenster vorsichtig zu sein? Welche Frau legte bei Nacht in einem hell erleuchteten Raum ohne Vorhänge oder Jalousien ihre Kleider ab und ahnte nicht, dass auf der anderen Seite dieser wenigen

Weitere Kostenlose Bücher