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11 - Nie sollst Du vergessen

11 - Nie sollst Du vergessen

Titel: 11 - Nie sollst Du vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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sie auf Armeslänge vor sich. Bingo, dachte sie. Pitchley hätte in dem Ding ausgesehen wie eine versunkene Glocke. Ein minderjähriges Mädchen allerdings ebenfalls. Überhauptjede Frau, die nicht gerade den Leibesumfang eines Sumoringers besaß.
    Sie legte die Jacke wieder an ihren Platz, als Pitchley die Treppe heruntergepoltert kam und ins Wohnzimmer platzte. »Ich hatte Sie doch gebeten -« begann er und brach ab, als er sie den Kragen der Jacke glätten sah. Sein Blick huschte zu der zweiten Tür im Raum, die geschlossen war, und kehrte dann zu Barbara zurück. »Hier«, sagte er, den Arm ausstreckend. »Hier haben Sie, was Sie wollten. Die Frau ist übrigens eine Kollegin.«
    Barbara sagte: »Danke«, und nahm das Foto, das er ihr hinhielt, an sich. Er hatte etwas Schmeichelhaftes ausgesucht: Er selbst im Smoking mit einer rassigen Brünetten am Arm. Sie trug ein meergrünes Kleid, das hauteng war und nur knapp die prallen ballonrunden Brüste bedeckte, offensichtlich Implantate, die sich wie Zwillingskuppeln nach Plänen Sir Christopher Wrens in den Raum wölbten.
    »Hübsche Frau«, meinte Barbara. »Amerikanerin, nehme ich an?«
    Pitchley machte ein erstauntes Gesicht. »Ja, aus Los Angeles. Wie haben Sie das erraten?«
    »Kombinationsgabe«, antwortete Barbara. Sie steckte das Foto ein und bemerkte freundlich: »Hübsch haben Sie es hier. Leben Sie allein?«
    Sein Blick flog zu der Jacke, aber er sagte: »Ja.«
    »So viel Platz! Sie sind ein echter Glückspilz. Ich hab ein kleines Haus in Chalk Farm. Mit dem hier nicht zu vergleichen. Eher ein Mauseloch.« Sie deutete auf die zweite Tür. »Was ist da?«
    Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Das Esszimmer, Constable. Wenn das alles ist ...«
    »Haben Sie was dagegen, wenn ich mal einen Blick reinwerfe? Ich find's immer toll zu sehen, wie die besseren Leute leben.«
    »Ja, ich habe etwas dagegen. Ich meine, Sie haben bekommen, was Sie wollten, und ich sehe keinen Anlass -«
    »Ich habe den Verdacht, dass Sie etwas verheimlichen, Mr. Pitchley.«
    Er lief rot an. »So ein Unsinn!«
    »Ach? Na, dann ist es ja gut. Dann werde ich mal schauen, was hinter der Tür da ist.« Sie stieß die Tür auf, ehe er erneut protestieren konnte.
    »Das habe ich Ihnen nicht erlaubt«, rief er, als sie ins Nachbarzimmer trat.
    Es war leer. Am anderen Ende war eine Terrassentür, von eleganten Vorhängen umrahmt. Wie im Wohnzimmer herrschte peinliche Ordnung. Und wie im Wohnzimmer sprang ein Detail ins Auge, das nicht ins Bild passte. Auf dem Walnusstisch lag ein Scheckbuch. Es war aufgeschlagen, Rücken nach oben, und neben ihm lag ein Kugelschreiber.
    »Ach, Sie zahlen wohl gerade Ihre Rechnungen?«, bemerkte Barbara wie nebenbei, während sie sich dem Tisch näherte. Der aufdringliche Duft irgendeines Männerparfüms hing in der Luft.
    »Ich möchte Sie bitten, jetzt zu gehen, Constable.« Pitchley wollte zum Tisch, aber Barbara war vor ihm da und ergriff das Scheckbuch.
    »Moment mal!«, rief Pitchley hitzig. »Was unterstehen Sie sich? Sie haben kein Recht, einfach in mein Haus einzudringen.«
    »Hm. Ja«, sagte Barbara, den Blick auf den Scheck gerichtet, der nicht fertig ausgestellt war. Zweifellos hatte sie mit ihrem Klingeln den guten Pitchley bei der Arbeit gestört. Der ausgefüllte Betrag belief sich auf dreitausend Pfund, der Begünstigte hieß Robert, sein Nachname fehlte.
    »Das reicht«, sagte Pitchley wütend. »Ich bin Ihnen entgegengekommen. Verlassen Sie jetzt mein Haus, sonst rufe ich meinen Anwalt an.«
    »Wer ist Robert?«, fragte sie. »Gehört ihm die Jacke im Wohnzimmer? Und ist das sein Rasierwasser, das hier die Luft verpestet?«
    Statt einer Antwort lief Pitchley zu einer Schwingtür. Über die Schulter hinweg rief er: »Ich beantworte Ihre Fragen nicht.«
    Aber Barbara ließ sich nicht abwimmeln. Sie rannte ihm in die Küche nach.
    »Bleiben Sie draußen«, fuhr er sie an.
    »Warum?«
    Ein kalter Luftzug wehte ihr ins Gesicht, als sie eintrat. Das Küchenfenster stand weit offen. Aus dem Garten klang lautes Geklapper. Barbara stürzte zum Fenster und Pitchley zum Telefon. Während er hinter ihr irgendeine Nummer eintippte, schaute sie zum Fenster hinaus und sah den umgestürzten Rechen, der vorher offensichtlich unweit vom Küchenfenster an der Hauswand gelehnt hatte. Die beiden Männer, die ihn bei ihrer Flucht umgestoßen hatten, stolperten gerade halb laufend, halb rutschend einen Hang hinunter, der den Garten vom Park dahinter

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