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11 - Nie sollst Du vergessen

11 - Nie sollst Du vergessen

Titel: 11 - Nie sollst Du vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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spüren, antworten Sie ruhig.
    Aber ich frage Sie, wie Sie da so sicher sein können. Die Fakten meiner Vergangenheit kommen mir zunehmend wie bewegliche Ziele vor, und sie huschen vor einem Hintergrund von Gesichtern vorüber, die ich seit Jahren nicht mehr gesehen habe. Sind es also echte Tatsachen, Dr. Rose, oder die Abbilder der Tatsachen, wie ich sie gern hätte?
    Ich sagte zu Raphael: »Wie war das damals, als Sonia ertrank? An dem Abend. Dem Nachmittag. Wie kam es dazu? Ich habe versucht, mit Dad darüber zu sprechen ...« Ich schüttelte den Kopf.
    Die Kellnerin erschien mit dem Tee und dem Gebäck. Sie brachte uns alles auf einem Tablett aus Kunststoff, der auf Holz getrimmt war, ganz der vorherrschenden Gepflogenheit des Zoos entsprechend, die Dinge für etwas auszugeben, was sie nicht waren. Sie stellte Tassen, Teller und Kannen vor uns auf den Tisch, und ich wartete, bis sie wieder gegangen war, ehe ich zu sprechen fortfuhr.
    »Dad schweigt sich aus. Wenn ich mit ihm über Musik sprechen will, über mein Geigenspiel, dann ist das in Ordnung. Es sieht ja nach Fortschritt aus. Wenn ich eine andere Richtung einschlagen möchte ... dann folgt er, aber es ist die Hölle für ihn, das sehe ich ihm an.«
    »Es war für alle die Hölle.«
    »Auch für Katja Wolff?«
    »Ihre Hölle kam später, vermute ich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie mit einer Haftstrafe von zwanzig Jahren ohne Bewährung rechnete.«
    »Ist das der Grund, warum sie im Gerichtssaal - Ich habe gelesen, dass sie aufgesprungen ist und versucht hat, eine Erklärung abzugeben, nachdem der Richter das Urteil verkündet hatte.«
    »Hat sie das getan?«, fragte Raphael. »Das wusste ich gar nicht. Am Tag der Urteilsverkündung war ich nicht beim Prozess. Ich hatte einfach genug.«
    »Aber du bist mit ihr zur Polizei gegangen. Arn Anfang.
    Es gibt ein Foto von euch beiden, wie ihr aus der Polizeidienststelle herauskommt.«
    »Das war sicher ein zufälliges Zusammentreffen. Irgendwann rnussten wir alle zur Vernehmung aufs Revier. Die meisten von uns mehr als einmal.«
    »Auch Sarah-Jane Beckett?«
    »Ich denke schon. Warum?«
    »Ich muss sie sprechen.«
    Raphael hatte seinen Teekuchen mit Butter bestrichen. Er hob ihn zum Mund, aber er biss nicht davon ab, sondern hielt ihn ruhig in der Hand und sah mich an. »Was soll das bringen, Gideon?«
    »Es zieht mich einfach in die Richtung, und Dr. Rose hat mir geraten, auf der Suche nach Verbindungen meinem Instinkt zu folgen. Sie meint, auf diese Weise würde ich am ehesten auf etwas stoßen, was Erinnerungen weckt.«
    »Dein Vater wird davon nicht erfreut sein.«
    »Dann häng einfach dein Telefon aus.«
    Raphael biss ein Riesenstück von seinem Teekuchen ab, zweifellos, um seinen Ärger darüber zu kaschieren, dass ich ihm auf die Schliche gekommen war. Aber hatte er tatsächlich geglaubt, ich könnte mir nicht denken, dass er und mein Vater tägliche Konferenzen über mich und die Fortschritte, die ich machte oder nicht machte, abhielten? Sie sind schließlich die beiden Menschen, die von dem, was mir widerfahren ist, am meisten betroffen sind, und sie sind neben Libby und Ihnen, Dr. Rose, die Einzigen, die das Ausmaß meiner Probleme kennen.
    »Was erwartest du dir von einem Gespräch mit SarahJane Beckett? Immer vorausgesetzt, dass du sie überhaupt findest.«
    »Sie lebt in Cheltenham«, erwiderte ich. »Schon seit Jahren. Ich bekomme jedes Jahr zum Geburtstag und zu Weihnachten eine Karte von ihr. Du nicht?«
    »Na schön. Sie lebt in Cheltenham«, sagte er, ohne auf meine Frage einzugehen. »Und was soll sie dir helfen?«
    »Das weiß ich auch nicht. Vielleicht kann sie mir erklären, warum Katja Wolff nie gesprochen hat.«
    »Sie hatte das Recht zu schweigen, Gideon.« Er legte sein Gebäck auf seinen Teller und nahm seine Tasse, die er mit beiden Händen umspannte, als suche er Wärme.
    »Sicher. Vor Gericht. Bei der Polizei. Da brauchte sie nichts zu sagen. Aber was ist mit ihrem Anwalt? Warum hat sie mit dem nicht gesprochen?«
    »Ihr Englisch war nicht so gut. Vielleicht hat jemand sie über ihr Recht zu schweigen aufgeklärt, und sie hat es missverstanden.«
    »Es gibt da noch einen Punkt, den ich nicht verstehe«, fuhr ich fort. »Sie war Ausländerin. Wieso verbüßte sie ihre Strafe in England. Warum wurde sie nicht nach Deutschland zurückgeschickt?«
    »Sie hat sich der Auslieferung mit allen Mitteln widersetzt. Der Prozess zog sich über mehrere Instanzen hin, und sie hat am Ende

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