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11 - Nie sollst Du vergessen

11 - Nie sollst Du vergessen

Titel: 11 - Nie sollst Du vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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retten zu können, wenigstens zur Hälfte. Aber mit Gewissheit lässt sich auch das noch nicht sagen.«
    »Ist er noch -«
    »Onkel David!« Miranda Webberly, im ausgebeulten Jogginganzug, das krause Haar im Nacken mit einem Schal gebunden, kam in den Warteraum gerannt. Ihre Füße waren nackt, und ihr Gesicht war bleich. In der Hand hielt sie einen Autoschlüssel. Sie lief direkt auf Hillier zu.
    »Hat dich jemand hergefahren?«, fragte er.
    »Ich habe mir das Auto einer Freundin geliehen. Ich bin selbst gefahren.«
    »Randie, ich habe dir doch gesagt -«
    »Onkel David!« Und zu Lynley: »Haben Sie ihn gesehen, Inspector?« Und dann ein Schwall von Fragen an ihren Onkel. »Wie geht es ihm? Wo ist Mama? Sie ist nicht ...? O Gott. Sie hat sich geweigert mitzukommen, richtig?« Mirandas Augen glänzten feucht, als sie voll Bitterkeit mit brüchiger Stimme hinzufügte:
    »Ja, klar, war ja nicht anders zu erwarten.«
    »Tante Laura ist bei ihr«, sagte Hillier. »Komm hier herüber, Randie. Setz dich. Wo sind deine Schuhe?«
    Miranda sah erstaunt zu ihren Füßen hinunter. »Ach, du meine Güte, ich hab vergessen, welche anzuziehen, Onkel David. Sag doch, wie geht es ihm?«
    Hillier berichtete ihr, was er auch Lynley berichtet hatte, ohne jedoch zu erwähnen, dass der Fahrer des Unfallfahrzeugs geflüchtet war. Als er davon sprach, dass man versuchen wollte, Webberlys Leber zu retten, erschien ein Arzt, sagte nur »Webberly?« und musterte die drei mit blutunterlaufenen Augen und einer Miene, die nichts Gutes verhieß.
    Hillier stellte erst sich selbst vor, dann Miranda und Lynley, legte seiner Nichte den Arm um die Schultern und sagte: »Wie sieht es aus?«
    Der Chirurg erklärte, Webberly befinde sich jetzt auf der Wachstation und werde von dort direkt auf die Intensivstation gebracht; man habe ihn in ein künstliches Koma versetzt, um dem Gehirn Ruhe zu gönnen; die Schwellung werde man mit Steroiden behandeln; um ihn bewusstlos zu halten, werde man ihm Barbiturate verabreichen und außerdem die Muskeln lahm legen, um ihn ruhig zu stellen, bis das Gehirn sich erholt hatte.
    Randie griff das letzte Wort sofort begierig auf. »Dann wird er also wieder gesund? Dann wird mein Vater wieder gesund?«
    Das könnten sie noch nicht sagen, antwortete der Chirurg. Webberlys Zustand sei kritisch. Bei Gehirnödemen sei das immer so eine Sache. Man müsse die Schwellung beobachten und verhindern, dass das Gehirn auf den Stamm zu drücken begann.
    »Und sonst?«, fragte Hillier. »Was ist mit seiner Milz und der Leber?«
    »Wir haben gerettet, was zu retten war. Wir haben noch mehrere Frakturen festgestellt, aber die sind belanglos im Vergleich zu den übrigen Verletzungen.«
    »Darf ich ihn sehen?«, fragte Randie.
    »Sie sind -?«
    »Die Tochter. Er ist mein Vater. Darf ich zu ihm?«
    »Keine anderen Angehörigen?«, wandte sich der Arzt an Hillier.
    »Seine Frau ist krank«, antwortete Hillier.
    »Oh«, sagte der Arzt, »das ist bitter.« Er nickte Randie zu. »Wir geben Ihnen Bescheid, wenn er aus der Wachstation heraus ist. Aber das wird noch einige Stunden dauern. Sie sollten sich inzwischen etwas Ruhe gönnen.«
    Nachdem er gegangen war, sagte Randie voll ängstlicher Sorge zu ihrem Onkel und Lynley: »Er muss nicht sterben. Das heißt doch, dass er nicht sterben muss, nicht wahr?«
    »Im Moment ist er am Leben, und das ist erst mal das Wichtigste«, erwiderte Hillier. Die Befürchtungen, die er Lynleys Vermuten nach hatte, sprach er nicht aus: Webberly würde vielleicht nicht sterben, aber möglicherweise nie wieder gesund werden und für den Rest seines Lebens behindert bleiben.
    Unwillkürlich musste Lynley an eine ähnliche Situation aus früherer Zeit denken. Auch da hatte ein Mensch eine schwere Kopfverletzung erlitten, auch da hatte erhöhter Druck die Funktionen des Gehirns bedroht. Sein Freund Simon St. James war etwa in jenem Zustand aus dem Koma erwacht, in dem er sich noch heute befand. Die Jahre, die seit seiner Genesung vergangen waren, hatten ihm nicht wiedergegeben, was Lynleys Leichtsinn ihm geraubt hatte.
    Hillier drückte Randie auf ein Kunststoffsofa nieder, wo noch eine, von einem anderen angstvoll wartenden Angehörigen zurückgelassene, Wolldecke lag. »Ich hole dir erst einmal eine Tasse Tee«, sagte er und bedeutete Lynley, mit ihm zu kommen. Draußen im Korridor blieb er stehen. »Sie sind bis auf weiteres stellvertretender Superintendent. Stellen Sie ein Team zusammen und kämmen Sie die Stadt nach

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