11 - Nie sollst Du vergessen
diesem Schweinehund durch, der ihn niedergefahren hat.«
»Ich bearbeite gerade einen Fall, der -«
»Hören Sie schlecht?«, unterbrach Hillier. »Geben Sie Ihren Fall weiter. Ich möchte, dass Sie sich um diese Sache hier kümmern. Setzen Sie alle Mittel ein, die nötig sind. Berichten Sie mir jeden Morgen. Ist das klar? Die Männer von der Streife, die noch unten sind, können Ihnen sagen, was wir bisher haben - leider so gut wie nichts. Ein Autofahrer, der in der entgegengesetzten Richtung unterwegs war, hat den Wagen flüchten sehen, konnte aber nicht mehr über ihn sagen, als dass es ein großer Wagen war, wie eine Limousine oder ein Taxi. Er meint, das Verdeck könnte grau gewesen sein, aber das kann man außer Acht lassen. Es wird durch die Reflexion der Straßenbeleuchtung heller gewirkt haben. Und wann haben Sie das letzte Mal einen zweifarbigen Wagen gesehen?«
»Limousine oder Taxi. Ein schwarzes Fahrzeug also«, sagte Lynley.
»Es freut mich, festzustellen, dass Ihnen Ihre bemerkenswerte Kombinationsgabe nicht abhanden gekommen ist.«
Die Spitze war Lynley der Beweis dafür, mit welchem Widerwillen Hillier ihm den Fall anvertraute. Der alte Zorn schlug in ihm empor, und unwillkürlich ballte er die Hand zur Faust. Aber als er sagte: »Warum gerade ich?«, war sein Ton höflich und korrekt.
»Weil Malcolm Sie wählen würde, wenn er sich äußern könnte«, antwortete Hillier. »Und ich respektiere seine Wünsche.«
»Dann glauben Sie, er wird es nicht schaffen.«
»Ich glaube gar nichts.« Aber die Unsicherheit in seiner Stimme widersprach seinen Worten. »Also, packen Sie es einfach an. Lassen Sie stehen und liegen, was Sie gerade tun, und legen Sie los. Finden Sie diesen Dreckskerl. Nehmen Sie ihn in Gewahrsam. An der Straße, wo Webberly angefahren wurde, sind Häuser. Irgendjemand dort muss etwas gesehen haben.«
»Die Sache könnte mit dem Fall zu tun haben, an dem ich im Moment arbeite«, bemerkte Lynley.
»Wie, zum Teufel -«
»Hören Sie mir einen Moment zu, bitte.«
Hillier lauschte schweigend, während Lynley ihm die Einzelheiten des Fahrerfluchtunfalls skizzierte, der sich erst vor zwei Tagen ereignet hatte. Auch hier war es ein schwarzes Fahrzeug gewesen, erklärte er und fügte hinzu, dass es zwischen dem Opfer und Webberly eine Verbindung gab. Welcher Art diese Verbindung war, erläuterte er nicht. Er ließ es dabei bewenden, zu sagen, dass hinter den beiden vermeintlichen Unfällen mit Fahrerflucht möglicherweise ein alter Fall steckte, der mehr als zwanzig Jahre zurücklag.
Aber Hillier wäre bei New Scotland Yard nicht so hoch aufgestiegen, wenn er nicht auch ein kluger Kopf gewesen wäre. Er sagte ungläubig: »Die Mutter des Kindes und der Beamte, der die Ermittlungen leitete? Wenn da wirklich ein Zusammenhang besteht, wer, zum Teufel, würde zwanzig Jahre warten, um den beiden etwas anzutun?«
»Jemand, der bis vor kurzem nicht wusste, wo sie zu finden sind, würde ich sagen.«
»Und gibt es so jemanden unter den Leuten, die Sie befragen?«
»Ja«, antwortete Lynley nach kurzem Überlegen. »Ja, ich glaube, da haben wir jemanden.«
Yasmin Edwards saß bei ihrem Sohn auf der Bettkante und legte ihre Hand auf seine kleine, magere Schulter. »Komm, Danny. Aufstehen! Es ist Zeit!« Sie schüttelte ihn. »Dan, hast du den Wecker nicht gehört?«
Daniel zog ein Gesicht und verkroch sich tiefer unter die Decke. Sein Po bildete einen runden Hügel im Bett, bei dessen Anblick sich Yasmins Herz zusammenzog. »Nur noch ein bisschen, Mam«, sagte er. »Bitte. Nur noch eine Minute.«
»Keine Minute. Wenn du jetzt nicht aufstehst, kommst du zu spät zur Schule. Oder du musst ohne Frühstück aus dem Haus.«
»Das macht mir nichts aus.«
»Aber mir«, entgegnete sie, gab ihm einen Klaps auf den Po und blies ihm ins Ohr. »Wenn du nicht aufstehst, holen dich die Bussikäfer!«
Er lachte, ohne die Augen zu öffnen. »Können sie gar nicht«, sagte er. »Ich hab mich mit Insektenschutz eingeschmiert.«
»Insektenschutz? Das hilft nichts. Vor den Bussikäfern kann man sich nicht schützen. Pass mal auf, gleich wirst du's sehen.«
Sie neigte sich über ihn und küsste Wangen, Ohren und Hals ihres Sohnes, kitzelte ihn, bis er ganz wach wurde.
Lachend und strampelnd versuchte er halbherzig, sie abzuwehren. »Igitt!«, kreischte er immer wieder quiekend. »Nein, nein! Jag die Käfer weg, Mam!«
»Das kann ich nicht«, erklärte sie außer Atem. »Ogottogott, da sind ja noch viel
Weitere Kostenlose Bücher