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11 - Nie sollst Du vergessen

11 - Nie sollst Du vergessen

Titel: 11 - Nie sollst Du vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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hatte. Er schien in der Tat wie hypnotisiert von der Berührung.
    »Sie hat alles für Ihre Schwester getan«, sagte Katie. »Sie hat die Kleine geliebt. Es war wunderbar, zu beobachten, wie sie auf sie einging. Ich habe sie nie anders als unglaublich zart und behutsam im Umgang mit Sonia erlebt. Sie war ein Geschenk des Himmels für Ihre Familie, Gideon.«
    Das hatte ich nun überhaupt nicht zu hören erwartet. Ich schloss die Augen und suchte in meinem Gedächtnis nach einem Bild, das mir Katja und Sonia zusammen zeigte. Ich wollte ein Bild haben, das bestätigte, was ich dem rothaarigen Polizeibeamten gesagt hatte, und nicht das, was Katie behauptete.
    Ich sagte: »Aber Sie haben sie wahrscheinlich vor allem in der Küche zusammen gesehen, wenn sie Sonia fütterte«, und hielt dabei die Augen geschlossen, um wenigstens dieses Bild heraufzubeschwören: die roten und schwarzen Quadrate des alten Linoleums auf dem Fußboden, den Tisch mit den ringförmigen Spuren, die feuchte Tassen und Gläser auf dem unbearbeiteten Holz hinterlassen hatten, die beiden Erdgeschossfenster mit dem Gitter davor. Ich konnte mich seltsamerweise genau an den Blick auf Beine erinnern, die oben auf dem Bürgersteig an diesen Küchenfenstern vorübergingen, aber es kam kein Bild einer Szene, die bestätigt hätte, was ich später bei der Polizei ausgesagt hatte.
    »Das ist richtig«, sagte Katie, »ich habe die beiden in der Küche gesehen. Aber ich habe sie auch im Kloster gesehen. Und draußen auf dem Platz. Und an anderen Orten. Es gehörte ja zu Katjas Aufgaben, Sonias sinnliche Wahrnehmungsfähigkeit zu stimulieren und ...« Sie brach ab, hörte auf, den Vogel zu streicheln, und sagte: »Aber das wissen Sie ja alles.«
    »Wie ich schon sagte, meine Erinnerungen ...«, murmelte ich unbestimmt.
    Das reichte schon. Sie fuhr ohne weitere Unterbrechung fort zu erzählen. »Alle Kinder, ob behindert oder nicht, profitieren von sensorischer Stimulation, und Katja achtete darauf, dass Sonia vielfältige Erfahrungen machte. Sie arbeitete mit ihr an der Entwicklung ihrer Motorik und sorgte dafür, dass sie immer auch Eindrücken außerhalb der häuslichen Umgebung ausgesetzt war. Natürlich waren die Möglichkeiten durch die Krankheit ihrer Schwester beschränkt, aber soweit ihr Befinden es zuließ, zog Katja mit ihr durch die Gegend. Und wenn ich freie Zeit hatte, kam ich oft mit. Ich habe sie also zwar nicht jeden Tag, aber doch mehrmals in der Woche mit Ihrer Schwester zusammen gesehen, solange Ihre Schwester am Leben war. Und Katja war rührend zu der Kleinen. Darum konnte ich das Ganze damals überhaupt nicht begreifen - es fällt mir noch heute schwer, es zu verstehen.«
    Dieser Bericht unterschied sich so grundlegend von allem, was ich gehört oder in den Zeitungen gelesen hatte, dass ich mich zu einem Frontalangriff genötigt fühlte. »Das deckt sich aber in keiner Hinsicht mit dem, was mir erzählt wurde.«
    »Von wem?«
    »Von Sarah-Jane Beckett, zum Beispiel.«
    »Das überrascht mich nicht«, sagte Katie. »Was SarahJane Beckett erzählt, muss man immer mit Vorbehalt betrachten. Die beiden waren wie Feuer und Wasser, Katja und Sarah-Jane, meine ich. Außerdem spielte auch noch James eine Rolle. Er war ganz verrückt nach Katja und ist jedesmal dahingeschmolzen, wenn sie ihn nur angeschaut hat. Sarah-Jane passte das gar nicht. Es war deutlich zu sehen, dass sie James schon für sich reserviert hatte.«
    Das reinste Verwirrspiel, Dr. Rose, diese Geschichten über James, den Untermieter. Ganz gleich, mit wem ich über ihn spreche, immer nimmt die Fabel eine neue Färbung an. Auf ganz subtile Weise, nur eine kleine Abweichung hier und eine kleine Wendung dort - aber es reicht, um mich aus dem Konzept zu bringen und mich zu der Frage zu veranlassen, wem ich nun eigentlich glauben kann.
    Vielleicht niemandem, erwidern Sie. Jeder Mensch sieht die Dinge mit seinen eigenen Augen, Gideon. Jeder Mensch legt sich eine Version vergangener Ereignisse zurecht, mit der er leben kann, und diese Version wird für ihn zur Wahrheit.
    Ja, aber womit muss Katie Waddington zwanzig Jahre nach dem Verbrechen zu leben versuchen? Ich kann verstehen, womit mein Vater zu leben versucht. Ich kann mir auch vorstellen, womit Sarah-Jane Beckett zurechtzukommen versucht. Aber Katie ...? Sie gehörte nicht zum Haus. Ihr einziges Interesse galt der Freundschaft mit Katja Wolff.
    Und doch hatte sie mit ihrer Aussage beim Prozess wesentlich dazu beigetragen, Katja Wolffs

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