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11 - Nie sollst Du vergessen

11 - Nie sollst Du vergessen

Titel: 11 - Nie sollst Du vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Gefängnisverwaltung. Die Aufsichtsbeamtin teilte mir mit, dass Katja eine Adoption wünschte, und sie benachrichtigte mich, als es soweit war. Ich weiß nicht, ob Katja das Kind je gesehen hat. Ich weiß nur, dass sie den Jungen sofort bei einer Familie untergebracht haben wollte, und ich sollte dafür sorgen, dass das klappte.«
    Barbara reichte ihr die Bilder zurück. »Und sie wollte nicht, dass sein Vater ihn zu sich nimmt?«
    »Sie wünschte eine Adoption.«
    »Wer war der Vater?«
    »Darüber haben wir nicht gesprochen. Ich -«
    »Hab schon verstanden. Ich weiß. Aber Sie kannten Katja, und sie kannten die anderen. Sie müssen doch einen Verdacht gehabt haben. Es waren drei Männer im Haus: der Großvater, Richard Davies und der Untermieter, ein Mann namens James Pitchford. Wenn man noch Raphael Robson dazunimmt, den Geigenlehrer, waren es vier. Fünf, wenn man Gideon mitzählen will und annimmt, dass Katja sie so jung mochte. Er war in einer Hinsicht frühreif, warum nicht auch in einer weiteren?«
    Schwester Cecilia machte ein pikiertes Gesicht. »Katja hat doch keine kleinen Kinder belästigt.«
    »Vielleicht hat sie es nicht als Belästigung gesehen. Frauen betrachten das anders, wenn sie einen jungen Mann die Liebe lehren. Es gibt Stämme, wo es Sitte ist, dass die älteren Frauen den Knaben beibringen, was Sache ist.«
    »Meinetwegen, aber die Familie Davies war kein Stamm. Und ganz gewiss ist Gideon nicht der Vater dieses Kindes. Ich bezweifle« - die Nonne errötete - »dass er überhaupt fähig gewesen wäre, den Akt auszuüben.«
    »Wer auch immer es war, er scheint Grund gehabt zu haben, es zu verheimlichen. Sonst hätte er sich melden und auf das Kind Anspruch erheben können - als Katja zu zwanzig Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Es sei denn, er wollte nicht als der Mann bekannt werden, der eine Mörderin geschwängert hat.«
    »Warum muss es überhaupt jemand aus dem Haus gewesen sein?«, fragte Schwester Cecilia. »Und warum ist es so wichtig, zu wissen, wer es war?«
    »Ich weiß nicht, ob es wichtig ist«, gab Barbara zu. »Aber wenn der Vater des Kindes irgendwie in all das verstrickt ist, was Katja Wolff geschehen ist, dann ist er jetzt vielleicht in Gefahr. Vorausgesetzt, sie steckt hinter diesen zwei Anschlägen.«
    »Zwei ...?«
    »Der Kollege, der die Ermittlungen über Sonia Davies' Tod leitete, ist gestern Abend angefahren worden. Er liegt im Koma.«
    Schwester Cecilia griff zu dem Kruzifix, das sie an einer Kette um den Hals trug. Sie krümmte ihre Finger darum und hielt es fest. »Ich kann nicht glauben, dass Katja irgendetwas damit zu tun hat.«
    »Gut«, sagte Barbara. »Aber manchmal kommt es eben vor, dass wir etwas glauben müssen, was wir nicht glauben wollen. So ist das Leben, Schwester.«
    »Nicht mein Leben«, widersprach die Nonne.

GIDEON
6. November
    Ich habe wieder geträumt, Dr. Rose.
    Ich stehe auf der Bühne im Barbican, über mir das gleißend helle Licht der Scheinwerfer. Das Orchester befindet sich hinter mir, und der Dirigent, dessen Gesicht ich nicht sehen kann, klopft mit dem Taktstock auf sein Pult. Die Musik setzt ein - vier Takte von den Celli -, und ich hebe mein Instrument und mache mich bereit, einzustimmen. Da höre ich es plötzlich, irgendwo aus den Tiefen des riesigen Saals: Ein kleines Kind hat zu weinen angefangen.
    Das Weinen schallt durch den Saal, aber ich bin offenbar der Einzige, der es hört. Die Celli spielen weiter, die anderen Streicher gesellen sich zu ihnen, und ich weiß, dass gleich mein Solo beginnt.
    Ich kann nicht denken, ich kann nicht spielen, ich verstehe nicht, warum der Dirigent nicht unterbricht; warum er sich nicht dem Publikum zuwendet und darum bittet, dass irgendjemand so freundlich sein möge, das schreiende Kind aus dem Saal zu bringen, damit wir uns auf unser Spiel konzentrieren können. Unmittelbar vor meinem Einsatz ist eine Pause von einem ganzen Takt, und während ich auf diese Pause warte, blicke ich immer wieder in den Saal hinaus. Aber ich kann nichts erkennen wegen der Lichter, die weit heller und greller sind als in Wirklichkeit. Sie sind so grell, wie man sich bei einem Verhör das Licht vorstellt, mit dem sie dem Verdächtigen ins Gesicht leuchten.
    Als die Pause erreicht ist und die Streicher ihre Instrumente einen Takt lang ruhen lassen, zähle ich mit. Irgendwie weiß ich, dass ich, solange diese Störung andauert, nicht in der Lage sein werde zu spielen, was ich spielen sollte, aber spielen muss ich, das

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