11 - Nie sollst Du vergessen
hatte, dann kurz Lynleys Hosenaufschläge beschnupperte und zur Küche zurück trottete. »Gib mir bitte keine guten Ratschläge, Darling«, sagte Helen zu ihrem Mann. »Du siehst, ich habe wehrhafte Freunde.«
»Mit scharfen Zähnen.«
»Stimmt.« Mit einer Kopfbewegung zur Haustür sagte sie: »Ich hatte gar nicht mit dir gerechnet. Ich hoffte, es wäre Randie.«
»Sie will ihn wohl auf keinen Fall allein lassen.«
»Es ist das reinste Tauziehen. Sie will ihren Vater nicht verlassen, und Frances will das Haus nicht verlassen. Als der Anruf kam, dass er einen Herzinfarkt erlitten hatte, dachte ich, jetzt wird sie doch ganz bestimmt zu ihm fahren wollen. Sie wird sich überwinden, denn es kann ja sein, dass er stirbt, und nicht bei ihm zu sein, wenn er stirbt ... Aber nein.«
»Das ist nicht dein Problem, Helen. Und so wie du dich die letzten Tage gefühlt hast - du brauchst dringend Ruhe. Wo ist denn Laura Hillier?«
»Sie und Frances hatten einen Riesenstreit. Das heißt, er ging eigentlich mehr von Frances aus. Es war so ein Gespräch nach dem Motto, schau mich gefälligst nicht an, als wär ich ein Ungeheuer, weißt du, wo die eine versucht, die andere davon zu überzeugen, dass sie das nicht denkt, was die andere ihr unbedingt einreden will, dass sie denkt, weil sie es nämlich auf einer gewissen Ebene - würde man sagen, im Unterbewussten? - tatsächlich denkt.«
Lynley hatte keinen Boden mehr unter den Füßen und sagte:
»Kann es sein, dass diese Gewässer zu tief für mich sind, Helen?«
»Ein Rettungsring wäre vielleicht nicht schlecht.«
»Und ich dachte, ich könnte helfen.«
Helen war ins Wohnzimmer gegangen. Dort stand ein Bügelbrett und auf ihm ein Bügeleisen, woraus Lynley verblüfft schloss, dass seine Frau tatsächlich dabei war, die Familienwäsche zu bügeln. Über dem Brett lag ein Herrenhemd, dessen einer Ärmel offensichtlich das Objekt ihrer jüngsten Bemühungen war. Nach den Falten zu urteilen, die wie in das Kleidungsstück gestanzt wirkten, schien Helens Berufung nicht unbedingt das Bügeln zu sein.
Sie bemerkte seinen Blick und sagte: »Na ja, ich wollte mich nützlich machen.«
»Du bist großartig. Wirklich«, versicherte Lynley ermutigend.
»Aber ich mache es irgendwie falsch. Das sehe ich selbst. Ich bin sicher, es gibt da eine Methode - eine Reihenfolge oder so was -, aber ich bin bis jetzt nicht dahinter gekommen. Zuerst die Ärmel? Oder der Rücken? Der Kragen vielleicht? Ganz gleich, wo ich anfange, der Teil, den ich gerade gebügelt habe, verknittert sofort wieder, wenn ich den nächsten Teil in Angriff nehme. Hast du keinen Rat für mich?«
»Es muss doch in der Nähe eine Wäscherei geben.«
»Das ist wirklich wahnsinnig hilfreich, Tommy.« Helen lächelte kläglich. »Vielleicht sollte ich bei Kissenbezügen bleiben.«
»Wo ist Frances?«
»Darling, nein! Wir können sie doch jetzt unmöglich -«
Er lachte. »Das meinte ich nicht. Ich würde gern mit ihr sprechen. Ist sie oben?«
»Ach so. Ja. Nach dem Krach gab's natürlich Tränen. Laura stürzte schluchzend aus dem Haus, und Frances rannte mit verbissener Miene nach oben. Als ich später nach ihr sah, hockte sie im Schlafzimmer in einer Ecke auf dem Boden und hielt sich an den Vorhängen fest. Sie bat mich, sie in Ruhe zu lassen.«
»Sie braucht Randie. Und Randie braucht sie.«
»Glaub mir, Tommy, das habe ich ihr bereits in allen Tonarten gesagt, von piano bis fortissimo. Nur aggressiv habe ich es nicht versucht.«
»Aber das braucht sie vielleicht. Ein bisschen Aggressivität.«
»Der Ton könnte vielleicht eine Wirkung haben - obwohl ich es bezweifle -, aber mit Lautstärke, das garantiere ich dir, wirst du überhaupt nichts erreichen. Jedes Mal, wenn ich nach oben gehe, um nach ihr zu sehen, bittet sie mich, sie allein zu lassen. Ich tu das zwar nicht gern, aber ich finde, man muss ihre Wünsche respektieren.«
»Dann lass es mich doch mal versuchen.«
»Ich komme mit. Gibt es von Malcolm eigentlich etwas Neues? Wir haben aus dem Krankenhaus nichts mehr gehört, seit Randie angerufen hat. Aber das ist wahrscheinlich ein gutes Zeichen. Randie hätte doch bestimmt sofort telefoniert, wenn ... Hat sich an seinem Zustand gar nichts geändert, Tommy?«
»Nein, nichts«, antwortete Lynley. »Sein Herz verkompliziert die Situation natürlich. Man kann nur warten.«
»Meinst du, es wird auf eine Entscheidung hinauslaufen ...?«
Helen blieb oberhalb von ihm auf der Treppe stehen und blickte zu
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