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11 - Nie sollst Du vergessen

11 - Nie sollst Du vergessen

Titel: 11 - Nie sollst Du vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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ihm zurück. Sein Gesicht gab ihr die Antwort auf die unvollendete Frage. »Ach Gott, es tut mir so Leid für sie alle«, sagte sie.
    »Und für dich auch. Ich weiß doch, wie viel er dir bedeutet.«
    »Frances muss zu ihm ins Krankenhaus. Man kann Randie nicht zumuten, alles allein zu entscheiden, wenn es soweit kommen sollte.«
    »Nein, ganz gewiss nicht«, stimmte Helen zu.
    Lynley, der nie im oberen Stockwerk des Hauses gewesen war, ließ sich von Helen den Weg zum Schlafzimmer zeigen. Hier oben durchzogen die verschiedensten Gerüche die Luft: Blumendüfte aus Schalen mit getrockneten Blüten auf einer dreistöckigen Etagere gleich bei der Treppe, würziger Orangenduft, der mit dem Rauch einer brennenden Kerze neben der Badezimmertür aufstieg, das Zitronenaroma der Möbelpolitur. Aber all diese Düfte vermochten nicht, den durchdringenden Geruch überheizter Luft und schalen Zigarrenrauchs zu überdecken, die sich in diesen Räumen so festgesetzt hatten, dass es schien, als könnte höchstens ein heftiger und lang andauernder Regenguss sie vertreiben.
    »Es gibt nicht ein offenes Fenster im Haus«, bemerkte Helen leise. »Ich weiß, es ist November, da kann man natürlich nicht erwarten ... Aber trotzdem ... Es muss sehr schwierig für sie sein, nicht nur für Malcolm und Randie. Sie können ja weg. Auch für Frances, denn sie wünscht sich doch sicher nichts so sehr, wie wieder - wieder gesund zu werden.«
    »Ja, das möchte man meinen«, stimmte Lynley zu. »Ist es hier, Helen?«
    Nur eine der Türen war geschlossen, und Helen nickte, als er auf diese zeigte. Er klopfte an und sagte: »Frances? Ich bin's, Tommy. Darf ich reinkommen?«
    Keine Antwort. Er rief noch einmal, ein wenig lauter diesmal, und ließ ein zweites Klopfen folgen. Als sie sich auch jetzt nicht meldete, legte er die Hand an den Türknauf, der sich ohne Mühe drehen ließ. Lynley öffnete vorsichtig die Tür einen Spalt. Hinter ihm rief Helen gedämpft: »Frances? Möchten Sie mit Tommy sprechen?«
    Woraufhin Webberlys Frau endlich reagierte und »Ja« sagte, mit einer Stimme, aus der weder Furcht noch Ärger angesichts der Störung herausklangen, die nur leise und sehr müde war.
    Sie fanden sie nicht in der Ecke, wo Helen sie zuletzt gesehen hatte, sondern auf einem ungepolsterten, steiflehnigen Stuhl sitzend, den sie an ihren Toilettentisch herangezogen hatte, um dort im Spiegel ihr Bild betrachten zu können. Auf dem Tisch hatte sie Haarbürsten, Spangen und Bänder bereit gelegt, und als Helen und Lynley eintraten, ließ sie gerade zwei der Bänder durch ihre Finger laufen, als wollte sie die Wirkung der Farbe auf ihrer Haut prüfen.
    Sie trug offensichtlich noch dieselben Kleider wie in der Nacht, als sie ihre Tochter angerufen hatte: einen gesteppten rosaroten Morgenrock und darunter ein blaues Nachthemd. Sie hatte ihr Haar nicht geordnet, auch wenn sie sämtliche Bürsten vor sich ausgelegt hatte, denn es war immer noch platt an den Kopf gedrückt wie unter einem unsichtbaren Hut.
    Sie war so bleich, dass Lynley trotz der Tageszeit sofort an einen stärkenden Schluck Alkohohl dachte: Gin, Brandy, Whisky, Wodka oder irgendetwas anderes, was ihrem Gesicht wieder Farbe geben würde. Er sagte zu Helen: »Würdest du uns etwas zu trinken holen, Darling?« Und zu Webberlys Frau: »Frances, Ihnen würde ein Brandy gut tun. Tun Sie mir den Gefallen und trinken Sie einen.«
    »Ja, gut«, antwortete sie. »Einen Brandy.«
    Helen ging. Lynley schob eine Wäschetruhe, die am Fußende des Bettes stand, zum Toilettentisch hinüber, wo Frances saß, um mit ihr von Angesicht zu Angesicht sprechen zu können und nicht von oben herab wie ein Schulmeister. Er wusste nicht, wo er anfangen sollte. Er wusste nicht, was helfen würde. Wenn man bedachte, wie lange Frances Webberly, von unerklärlichen Ängsten heimgesucht, dieses Haus nicht mehr verlassen hatte, war nicht damit zu rechnen, dass sie sich von einigen simplen Worten darüber, in welcher Gefahr ihr Mann schwebte und wie dringend ihre Tochter sie brauchte, überzeugen lassen würde, dass ihre Ängste grundlos waren. Er war klug genug, zu wissen, dass der menschliche Geist so nicht funktionierte. Alltagslogik reichte nicht aus, um Dämonen auszutreiben, die im dunklen Labyrinth der Seele hausten.
    Er sagte: »Kann ich irgendetwas für Sie tun, Frances? Ich weiß, Sie wollen zu ihm.«
    Sie hatte eines der Bänder an ihre Wange gehoben und ließ es sinken, um es auf dem Tisch niederzulegen. »Das

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