Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
11 - Nie sollst Du vergessen

11 - Nie sollst Du vergessen

Titel: 11 - Nie sollst Du vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
Vom Netzwerk:
Weil ich sie liebe, Constable. Das ist mein Verbrechen. Sie glauben, hier ginge es um Perversion und Sex, nicht wahr? Um den Missbrauch von Macht. Um Nötigung und widerliche Szenen mit verzweifelten Frauen, die verzweifelten Frauen hinter Gittern Gewalt antun. Sie kommen gar nicht auf den Gedanken, dass es anders sein könnte, viel schwieriger, dass es um Liebe gehen könnte. Aber so ist es, ich liebe eine Frau und darf es nicht öffentlich tun, ich muss mich mit Heimlichkeiten begnügen und die Gewissheit ertragen, dass sie an den Abenden, an denen wir getrennt sind - und das sind weit mehr, als wir gemeinsam verbringen, glauben Sie mir -, mit einer anderen zusammen ist, eine andere liebt oder zumindest so tut, weil ich es so will. Und jede Auseinandersetzung, die wir haben, bleibt ohne Lösung, weil wir beide mit den Entscheidungen, die wir getroffen haben, Recht haben. Ich kann ihr nicht geben, was sie von mir will, und ich kann nicht annehmen, was sie geben will. Darum gibt sie es anderswo, und ich bekomme Brosamen von ihr, und sie bekommt Brosamen von mir. Und so wird es immer bleiben, ganz gleich, was sie darüber sagt, wie und wann sich die Dinge ändern werden.« Sie lehnte sich, als sie geendet hatte, einen Moment atemlos zurück, dann schlüpfte sie in ihren dunkelblauen Mantel, stand auf und steuerte auf die Tür zu.
    Nkata folgte ihr. Draußen blieb sie stehen, mitten im pfeifenden Wind, keuchend wie eine Läuferin. Das Licht der Straßenlampe fiel auf sie herab, während sie mit einer Hand den Masten umfasst hielt und zum Holloway-Gefängnis auf der anderen Straßenseite hinüber schaute.
    Sie schien zu spüren, dass Nkata an ihre Seite trat. Sie sah ihn nicht an, als sie sprach. »Zuerst machte sie mich nur neugierig. Sie kam nach dem Prozess ins Krankenhaus, dort arbeitete ich damals. Sie wurde rund um die Uhr bewacht, weil man fürchtete, sie könnte sich das Leben nehmen. Aber ich sah gleich, dass sie nicht die geringste Absicht hatte, sich etwas anzutun. Sie strahlte so eine Entschlossenheit und Selbstsicherheit aus. Sie schien genau zu wissen, wer sie war. Und mir gefiel das, ich fand es unwiderstehlich; denn ich wusste zwar ebenso genau, wer ich war, aber im Gegensatz zu ihr war ich nie fähig gewesen, es mir einzugestehen. Dann kam sie in die Abteilung für Schwangere, und sie hätte nach der Geburt des Kindes auf die Mutter-Kind-Station gehen können, aber das wollte sie nicht, sie wollte den Jungen nicht, und ich merkte auf einmal, dass es mich brennend interessierte, was sie vom Leben wollte und wie sie geschaffen war, dass sie so existieren konnte, so sicher in ihrer Einsamkeit.«
    Nkata sagte nichts. Er hielt den Wind ein wenig ab, als er sich vor Noreen McKay stellte.
    »Danach habe ich sie einfach nur beobachtet. Sie war natürlich in Gefahr, als sie aus der Krankenabteilung herauskam. Es gibt so etwas wie Ehre unter ihnen, und das Schlimmste ist in ihren Augen eine Kindsmörderin. Sie war deshalb nur in Gemeinschaft mit anderen Kapitalverbrecherinnen sicher. Aber ihre Sicherheit kümmerte sie gar nicht, und das faszinierte mich. Anfangs glaubte ich, das wäre so, weil sie ihr Leben als beendet betrachtete, und ich wollte mit ihr darüber sprechen. Ich nannte es meine Pflicht, und da ich damals für die Samariter zuständig war -«
    »Samariter?«, fragte Nkata.
    »Wir haben hier im Gefängnis ein Programm, das Samaritern erlaubt, Besuche zu machen. Wenn eine Gefangene an dem Programm teilnehmen möchte, teilt sie das der zuständigen Beamtin mit.«
    »Und wollte Katja Wolff teilnehmen?«
    »Nein. Nie. Aber ich benutzte das als Vorwand, um mit ihr ins Gespräch zu kommen.« Sie sah Nkata forschend an und schien etwas in seiner Miene lesen, denn sie fügte hinzu: »Ich bin gut in meiner Arbeit. Wir haben jetzt Entzugsprogramme. Wir verzeichnen einen Anstieg der Besucherzahlen. Wir haben bessere Rehabilitationschancen und bessere Möglichkeiten für Kinder, ihre Mütter im Gefängnis zu besuchen. Ich bin gut, glauben Sie mir.«
    Ihr Blick schweifte von ihm weg zur Straße, wo abendliche Autoschlangen zu den Vorstädten im Norden hinauskrochen. Sie sagte: »Sie wollte das alles nicht, und ich konnte ihre Ablehnung nicht verstehen. Sie kämpfte gegen die Auslieferung nach Deutschland, und auch das verstand ich nicht. Sie sprach mit niemandem, wenn sie nicht angesprochen wurde. Aber sie beobachtete alles. Und so merkte sie natürlich nach einiger Zeit, dass ich sie beobachtete. Als ich in

Weitere Kostenlose Bücher