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11 - Nie sollst Du vergessen

11 - Nie sollst Du vergessen

Titel: 11 - Nie sollst Du vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Entschuldigung und hielt sich heraus, als meine Mutter Katja ihre Schwangerschaft vorhielt und die Tatsache, dass sie auf Grund dieser Schwangerschaft ihre Pflichten gegenüber meiner Schwester vernachlässigte. Schließlich hatte Katja die Dinge selbst in die Hand genommen. Erschöpft von den ewigen Streitereien und ihren Versuchen, sich zu verteidigen, elend und geschwächt durch die Schwangerschaft und mit dem Gefühl, von allen Seiten verraten worden zu sein, hatte sie den Kopf verloren und Sonia ertränkt.
    Was hoffte sie, damit zu erreichen?
    Vielleicht hoffte sie, meinen Vater von einer Last zu befreien, die ihn ihrer Meinung nach daran hinderte, zu ihr zu kommen. Vielleicht sah sie in der Tötung Sonias eine Möglichkeit zu einem Statement. Vielleicht wollte sie meine Mutter dafür bestrafen, dass sie eine Macht über meinen Vater besaß, die offenbar nicht zu brechen war. Wie dem auch sei, Katja tötete Sonia und weigerte sich danach durch unerbittliches Schweigen, ihr Verbrechen anzuerkennen oder mögliche Verfehlungen, die sie dazu verleitet hatten, dem Leben meiner Schwester ein Ende zu machen.
    Aber warum? Weil sie den Mann schützen wollte, den sie liebte? Oder weil sie ihn bestrafen wollte?
    All das sah ich, und über all das dachte ich nach, während ich auf meinen Vater wartete.
    »Was soll dieser Blödsinn, Gideon?«
    Das waren seine ersten Worte, als er ins Musikzimmer kam, wo ich auf der Fensterbank saß und gegen das erste leise Ziehen in meinen Eingeweiden kämpfte, das durch kindische Angst und Feigheit in Erwartung unserer letzten, entscheidenden Auseinandersetzung hervorgerufen wurde. Ich wies auf das Heft, in dem ich all die Wochen hindurch alles aufgeschrieben hatte, und war wütend darüber, wie angespannt meine Stimme klang; wütend darüber, was diese Anspannung verriet: über mich, über ihn, über das, was ich fürchtete.
    »Ich weiß, was geschehen ist«, sagte ich. »Mir ist alles wieder eingefallen.«
    »Hast du dein Instrument zur Hand genommen?«
    »Du hast geglaubt, ich käme niemals dahinter, nicht wahr?«
    »Gideon, hast du ein Mal die Guarneri zur Hand genommen?«
    »Du hast geglaubt, du könntest mir ein Leben lang etwas vormachen?«
    »Verdammt noch mal! Hast du gespielt? Hast du es wenigstens versucht? Hast du deine Geige überhaupt mal angesehen?«
    »Du hast geglaubt, ich würde tun, was ich immer getan habe.«
    »Jetzt habe ich aber genug.« Er setzte sich in Bewegung. Aber er ging nicht zum Geigenkasten, sondern zur Stereoanlage, und dabei nahm er eine neue CD aus seiner Tasche.
    »Du hast geglaubt, ich würde auf alles hereinfallen, was du mir erzählst, weil ich das immer getan habe, nicht wahr? Erzähle ihm nur eine halbwegs plausible Geschichte, dann schluckt er sie schon.«
    Mein Vater wandte sich mit einer heftigen Bewegung um. »Du weißt ja nicht, was du redest. Sieh dich bloß mal an. Sieh dir an, was diese Person mit ihrem Psycho-Hokuspokus aus dir gemacht hat. Eine Maus, die sich vor ihrem eigenen Schatten fürchtet.«
    »Hast nicht du das getan, Dad? Hast nicht du das damals getan? Du hast gelogen, betrogen, verraten -«
    »Es reicht!« Er mühte sich ab, die CD aus ihrer Verpackung zu befreien, riss mit den Zähnen daran herum wie ein Hund und spie die Zellophanfetzen auf den Boden. »Ich sag's dir noch ein Mal - es gibt nur einen Weg, mit dieser Geschichte fertig zu werden, und diesen Weg hättest du von Anfang an einschlagen sollen. Ein echter Mann trotzt seiner Furcht. Er macht nicht auf dem Absatz kehrt und läuft vor ihr davon.«
    »Du läufst doch selbst davon. Gerade jetzt.«
    »Rede keinen Blödsinn!« Er drückte auf den Knopf, um den CD-Player zu öffnen, knallte die Scheibe hinein, schaltete das Gerät an und stellte die Lautstärke ein. »Hör zu«, zischte er mich an.
    »Hör jetzt endlich zu! Und benimm dich wie ein Mann.«
    Er hatte den Ton so laut eingestellt, dass ich im ersten Moment, als die Musik einsetzte, nicht erkannte, welches Stück es war. Aber meine Verwirrung hielt nur eine Sekunde an.
    Dann hörte ich, was er ausgesucht hatte, Dr. Rose. Beethoven. Das Erzherzog-Trio. Das hatte er ausgesucht.
    Das Allegro Moderato begann, und es füllte den Raum. Übertönt von der brüllenden Stimme meines Vaters.
    »Hör es dir an! Hör es dir an, verdammt noch mal. Hör dir an, was dich zu Grunde gerichtet hat. Hör dir an, wovor du solche Angst hast, dass du es nicht spielen kannst.«
    Ich presste die Hände auf meine Ohren. »Ich kann

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