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11 - Nie sollst Du vergessen

11 - Nie sollst Du vergessen

Titel: 11 - Nie sollst Du vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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nicht.«
    Aber ich hörte es trotzdem. Es. Ich hörte es. Und lauter noch hörte ich ihn.
    »Hör dir an, wovon du dich beherrschen lässt! Hör es dir an, dieses alberne Musikstück, von dem du dir die Karriere zerstören lässt.« »Ich will nicht -«
    »Schwarze Punkte auf einem lumpigen Blatt Papier! Mehr ist es nicht. Und dem hast du eine solche Macht eingeräumt.«
    »Zwing mich nicht -«
    »Sei still! Hör zu! Ist es für einen Musiker wie dich unmöglich, dieses Stück zu spielen? Nein, ist es nicht. Ist es zu schwierig? Nein, ist es nicht. Ist es auch nur anspruchsvoll? Nein, nein, nein. Ist es auch nur im Entferntesten -«
    »Dad!« Ich presste die Hände noch fester auf meine Ohren. Das Zimmer begann in Dunkelheit zu versinken. Es schrumpfte zu einem Lichtpunkt von der Größe eines Stecknadelkopfs, und das Licht war blau, es war blau, es war blau.
    »Weißt du, was das bei dir ist, Gideon? Fleisch gewordene Schwäche, das ist es. Du hast einmal kurz die Nerven verloren und dich prompt in den erbärmlichen Mr. Robson verwandelt.«
    Die Einleitung des Klaviers näherte sich dem Ende. Gleich würde die Geige einsetzen. Ich kannte jede einzelne Note. Die Musik war in mir. Aber vor meinen Augen sah ich nur diese Tür. Und mein Vater tobte weiter.
    »Es wundert mich wirklich, dass du noch nicht angefangen hast zu schwitzen wie er. Das wird als Nächstes kommen. Dass du schwitzt und zitterst wie ein Kretin, der -«
    »Hör auf!«
    Und die Musik. Die Musik. Die Musik. Sie schwoll an. Sie zerbarst. Sie forderte. Überall um mich herum die Musik, die ich fürchtete.
    Und vor mir die Tür, und sie stand auf der Treppe, die zu der Tür hinaufführte. Das Licht fiel auf sie herab, eine Frau, die ich auf der Straße nicht erkannt hätte, eine Frau, deren Akzent sich mit der Zeit abgeschliffen hat, in den zwanzig Jahren, die sie im Gefängnis gesessen hat.
    Sie sagt: »Erinnern Sie sich an mich, Gideon? Ich bin Katja Wolff. Ich muss Sie sprechen.«
    Ich weiß nicht, wer sie ist, aber ich sage höflich - man hat mich gelehrt, höflich zu den Leuten zu sein, ganz gleich, was sie von mir wollen, weil es diese Leute sind, die meine Konzerte besuchen, meine Platten kaufen, das East London Conservatory und seine Bemühungen unterstützen, das Leben der Kinder aus armen Familien zu bereichern, von Kindern, die in so vielerlei Hinsicht wie ich sind, bis auf die Verhältnisse, in die sie hineingeboren wurden ... Ich sage also höflich: »Es tut mir Leid, Madam, aber ich habe jetzt ein Konzert.«
    »Ich werde Sie nicht lange aufhalten.«
    Sie geht die Treppe hinunter und überquert das schmale Stück Straße, das uns trennt. Ich bin zur roten, zweiflügeligen Tür des Künstlereingangs der Wigmore Hall getreten, klopfte an, um eingelassen zu werden. Da sagt sie, o Gott, da sagt sie, da sagt sie: »Ich bin wegen meiner Bezahlung hier, Gideon«, und ich weiß nicht, was sie meint.
    Aber irgendwie begreife ich, dass Gefahr droht. Fester umfasse ich den Griff des Kastens, in dem, von Leder geschützt und in Samt gebettet, die Guarneri ruht, und erwidere: »Ich sagte ja schon, ich habe jetzt ein Konzert.«
    »Bis dahin ist noch mehr als eine Stunde Zeit«, erwidert sie.
    »Das hat man mir gesagt.«
    Sie macht eine Kopfbewegung zur Wigmore Street hin, wo die Verkaufsschalter sind. Dort war sie offenbar zuerst gewesen, um nach mir zu fragen. Man hatte ihr dort vermutlich gesagt, dass die Künstler noch nicht da seien. Und wenn sie kommen, Madam, benutzen sie den Künstlereingang. Wenn sie also dort warten wolle, werde Sie vielleicht Gelegenheit bekommen, mit Mr. Davies zu sprechen, man könne allerdings nicht garantieren, dass Mr. Davies die Zeit zu einem Gespräch haben werde.
    Sie sagt: »Vierhunderttausend Pfund, Gideon. Ihr Vater behauptet, er hätte das Geld nicht. Darum komme ich zu Ihnen, ich weiß, dass Sie es haben.«
    Die Welt, die ich kenne, schrumpft und schrumpft und wird ganz von einem Tropfen Licht verschluckt. Aus diesem Tropfen wachsen Klänge, und ich höre den Beethoven, das Allegro Moderato, den ersten Satz des Erzherzog-Trios, und dann die Stimme meines Vaters.
    Er sagte: »Benimm dich wie ein Mann, um Gottes willen! Setz dich richtig hin. Steh auf. Hör auf, dich da zusammenzukauern wie ein geprügelter Hund. Du lieber Gott! Hör auf zu flennen. Du tust ja gerade so, als wäre das -«
    Mehr hörte ich nicht, denn ich wusste plötzlich, was das war, und ich wusste, was das immer gewesen war. Ich erinnerte mich an

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