11 - Nie sollst Du vergessen
Toilette hängen und spucken. Ich hatte mir das alles viel romantischer vorgestellt.«
»Ich habe es übrigens Deborah gesagt.« Er erklärte, warum er überhaupt nach Chelsea gefahren war, und fügte hinzu: »Aber sie wusste es schon, wie sich zeigte.«
Helen blickte ihm forschend ins Gesicht, vielleicht weil sie in seiner Stimme einen Unterton hörte, der der Situation nicht angemessen war. Ja, da war tatsächlich etwas. Er hörte es selbst. Aber mit Helen hatte es nichts zu tun und noch weniger mit der Zukunft, die Lynley mit ihr teilen wollte.
Sie sagte: »Und du, Tommy? Freust du dich denn? Ich weiß, ich weiß, du hast gesagt, dass du dich freust, aber du kannst ja wohl kaum etwas anderes sagen. Als Ehemann, Gentleman und Beteiligter kannst du schlecht in hellem Entsetzen aus dem Zimmer stürzen. Aber ich habe seit einiger Zeit das Gefühl, dass zwischen uns beiden etwas nicht stimmt. Ich hatte dieses Gefühl nicht, bevor ich schwanger war, darum hat sich bei mir der Verdacht eingeschlichen, dass du vielleicht doch nicht so bereit bist für ein Kind, wie du geglaubt hast.«
»Nein, so ist es nicht«, sagte er. »Es ist alles gut, Helen. Und ich freue mich wirklich. Mehr als ich sagen kann.«
»Eine längere Anpassungszeit hätte uns vielleicht trotzdem ganz gut getan«, meinte sie.
Lynley musste daran denken, was Deborah über das Glück gesagt hatte, das dem entspringt, was einem gegeben wird. »Wir haben den Rest unseres Lebens, um uns aufeinander einzustellen«, sagte er zu seiner Frau. »Wenn wir den Moment nicht genießen, ist er für immer vorbei.«
Er legte den Roman auf ihren Nachttisch, beugte sich zu ihr hinunter und küsste sie auf die Stirn. »Ich liebe dich, Darling«, sagte er, und sie zog ihn zu sich herunter und küsste ihn. Sie murmelte: »Weil wir gerade vom Genuss des Moments gesprochen haben ...«, und dann erwiderte sie seinen KUSS auf eine Weise, die sie einander so nahe brachte, wie sie es seit dem Tag, an dem sie ihm gesagt hatte, dass sie schwanger war, nicht mehr gewesen waren.
Er spürte, wie sein Körper und seine Gefühle zu einer Mischung aus Lust und Liebe erwachten, die ihn stets schwach und gleichzeitig entschlossen machte, entschlossen, diese Gefühle zu beherrschen und sich zugleich völlig ihrer Macht zu unterwerfen.
Er küsste ihren Hals und ihre Schultern und fühlte ihr leichtes Beben, als er die Träger ihres Nachthemds behutsam über ihre Arme streifte. Als er seine Hände auf ihre Brüste legte und sich zu ihnen hinunterneigte, begann sie, seine Krawatte zu lösen und die Knöpfe seines Hemds zu öffnen.
Er sah abrupt hoch, alle Leidenschaft von Besorgnis gedämpft.
»Was ist mit dem Kind?«, fragte er. »Kann ihm auch nichts geschehen?«
Sie zog ihn lächelnd in ihre Arme. »Das Kind, mein Liebster, wird es überleben.«
29
Als Winston Nkata aus dem Badezimmer kam, fand er seine Mutter unter einer Stehlampe sitzend, deren Schirm sie abgenommen hatte, um bei ihrer Handarbeit besseres Licht zu haben. Sie fertigte Schiffchenspitze an. Seitdem sie zusammen mit ein paar Frauen aus ihrer Kirchengemeinde einen Kurs in dieser Art der Spitzenherstellung gemacht hatte, war sie entschlossen, es darin zur Perfektion zu bringen. Nkata wusste nicht, warum. Als er sie gefragt hatte, warum sie angefangen habe, mit Fadenrollen, Schiffchen und Knoten herumzuwerkeln, hatte sie geantwortet:
»Es ist eine schöne Beschäftigung für meine Hände, Herzblatt. Und bloß weil das heute nicht mehr viel gemacht wird, braucht man's noch lange nicht ausrangieren.«
Nkata hatte den Verdacht, dass ihr Eifer mit seinem Vater zu tun hatte, der nachts zu schnarchen pflegte, dass die Wände wackelten. Wer da ein Auge zutun wollte, musste es auf jeden Fall schaffen, vor ihm einzuschlafen und dann möglichst in einen komaähnlichen Zustand zu fallen. Wenn Alice Nkata über ihre gewöhnliche Schlafenszeit von Viertel vor elf hinaus noch wach war, konnte man annehmen, dass sie über ihrer Spitzenarbeit saß, um sich in ihrem Bett vom Schnauben und Röhren ihres Mannes nicht zur Weißglut treiben zu lassen.
An diesem Abend war es ganz sicher so. Als Nkata aus dem Badezimmer trat, sah er nicht nur seine Mutter bei der Handarbeit, sondern es empfing ihn auch die Geräuschkulisse seines offenbar wild träumenden Vaters. Es hörte sich an, als würden im Schlafzimmer seiner Eltern Bären abgestochen.
Alice Nkata hob den Kopf und sah ihren Sohn über den Rand ihrer Brillengläser hinweg an. Sie
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