1102 - Assungas Blutfalle
stehen. Sie lächelte kalt. Das Haar umwehte ihren Kopf wie die Mähne bei einem Löwen. Selbst in der Dunkelheit zeichnete sich der kalte Glanz in ihren Augen ab. Das Gesicht wirkte auf eine perfekte Art und Weise schön, schon wie gemeißelt, als hätte ein Künstler letzte Korrekturen vorgenommen.
Aus der Gruppe sprach niemand ein Wort. Die sechs Freunde standen so dicht zusammen, daß sie sich gegenseitig berührten. Sie sagten auch nichts, sie wollten nur den Körperkontakt haben, um sich zu unterstützen.
Assunga behielt ihr Lächeln bei, und dabei sprach sie. »Ich bin froh, daß ihr gekommen seid, meine Freunde, sehr froh sogar. Ich wußte gleich, daß ich mich auf euch verlassen kann.« Sie hielt in ihrer Rede inne und schaute jeden genau an, als wollte sie den Grund der Seele erkunden. Ihre Augen leuchteten noch stärker. In ihr steckte eine Kraft, die sie alle in den Bann schlug.
»Ihr habt meine Geschenke erhalten. Wunderbare Briefmarken, die euch den Weg in ein neues Leben zeigen. Es ist nur der Anfang, ihr werdet weitermachen und später dorthin kommen, wo ich auch bin. Da werdet ihr Gleichgesinnte treffen und auch diejenige Person, deren Konterfei ihr auf den Marken gesehen habt. Er ist ein Freund von mir, ein sehr mächtiger Freund, noch stärker als ich, und er hat einen besonderen Namen, den ihr euch merken solltet, denn er wird schon sehr bald zu eurem Idol werden. Diese Nacht ist entscheidend, und deshalb habe ich euch auch etwas mitgebracht. Der Tote ist ein Geschenk, das euch allen gilt. Ihr könnt euch daran delektieren, und ich werde dabei zuschauen. Es ist der zweite Weg. Den ersten spürt ihr ja schon in euch. Die Gier nach dem menschlichen Lebenssaft. Ihr könnt euch jetzt daran erfreuen. Ich habe ihn erst vor wenigen Minuten umgebracht. Er ist frisch. Sein Blut wird euch noch schmecken.« Sie hörte auf zu sprechen und kam auf die Gruppe zu.
Die jungen Leute machten Platz. Sie waren geschockt. Sie wußten nicht, wie sie sich verhalten sollten. Sicherlich dachten einige von ihnen an Flucht, aber es wäre sinnlos gewesen, vor dieser Vampirhexe wegzulaufen, die über übersinnliche Kräfte verfügte.
Assunga hatte alles im Griff. Sie blieb an der Sitzbank stehen und legte den Toten darauf.
Dann drehte sie sich um. Wieder lächelte sie.
Danach stellte sie die erste Frage. »Wer von euch macht den Anfang? Wer will zuerst das Blut des Toten schmecken? Wer…?«
Die sechs Freunde schwiegen…
***
Natürlich waren auch wir auf dem Spielplatz und hatten uns auf dem Gelände zunächst nach Verstecken umgeschaut. Es gab welche. So konnten wir hinter den Baumstämmen Deckung finden, aber auch in manchem Gesträuch. Das alles war uns nicht gut genug, deshalb suchten wir weiter und hatten das Glück, nicht weit vom Unterstand entfernt einen großen Abfallcontainer zu finden, der oben offen war. Wir hätten zwar hineinklettern können, doch das war nicht die feine englische Art.
Er bot auch von außen her Schutz, weil er auf Grund seiner Größe einen Schatten warf, der uns deckte.
Dort warteten wir.
Wir nahmen den Geruch des Eisens wahr. Auch den von Rost, und wenn wir um die Ecke spähten, dann lag der kleine Park vor uns. Der Spielplatz, der Unterstand, der Weg, über den wenig später die drei Motorräder knatterten. Jeweils zwei Personen saßen auf einem Fahrzeug. Die kleine Gruppe bewegte sich auf den Unterstand zu. Dort wurden die Maschinen aufgebockt.
Sie waren tatsächlich alle gekommen, mein Respekt. Ich hatte damit gerechnet, daß welche einen Rückzieher machen würden, doch sie hatten sich zusammengerissen.
Bis Mitternacht war noch Zeit.
Eine lange Stunde. Und sie würde für die jungen Leute noch länger werden. Wir waren es gewohnt zu warten, auch wenn wir es nicht gern taten, konnten wir uns damit abfinden.
Wir gingen davon aus, daß sich Assunga von der Parkseite her nähern würde. Dort hatte sie den besten Schutz und konnte dort wie ein Geist auftauchen.
Noch immer warten.
Mal behielt ich den Park im Auge, dann war es wieder Suko, während sich der eine dann um eine andere Richtung kümmerte, denn auch von der Straße her konnte Assunga auftauchen.
Das ließ sie bleiben. Es war Suko, der in den Park schaute und einen Zischlaut ausstieß.
Ich drehte mich um.
»Sie ist da, John!«
***
Assunga wartete. Allerdings nicht lange. Das Lächeln verschwand aus ihrem Gesicht. »Ich habe euch etwas gefragt«, sagte sie flüsternd und deutete auf den Toten. »Wer macht den
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