1107 - Die Mutation
sah tiefe Schatten. Er hörte donnernde Geräusche und wurde von mächtigen Flutwellen durchtost.
Die Brandung einer sehr lange zurückliegenden Zeit holte ihn allmählich ein. Sie überspülte ihn.
Das Menschsein ging ihm verloren. Hätte man ihn etwas gefragt, er hätte nicht mit normaler Stimme antworten können. Es war alles anders geworden, und diese Veränderung schwemmte ihn weiter.
Die Bilder verglühten. Erinnerungen wurden zu Fetzen, die blitzartig verschwanden.
James Cusack oder derjenige, der einmal James Cusack gewesen war, konnte sich in seiner sitzenden Position nicht mehr halten. So schwer, als hingen Gewichte an ihm, kippte er zur Seite und schlug auf den kalten Boden.
Dort blieb er liegen. Verkrümmt, von einer zappelnden und saugenden Masse bedeckt. Wilde Tiere, die immer noch bissen und nach seinem Blut leckten, weil sie auch den letzten Tropfen bekommen wollten. Er lag in der Schwärze wie ein totes Reptil. Kein Atem verließ seinen Mund, kein Zucken bewegte seinen Körper.
Es war die Zeit, an der sich die Fledermäuse wieder zurückzogen. Nicht alle auf einmal. Der Reihe nach lösten sie sich vom Körper und glitten wieder hin zu ihren Plätzen, an denen sie zuvor gesessen hatten. Wie ein dichter Pelz drückten sie sich zusammen, während ihr Opfer regungslos auf dem Boden lag.
Es verging Zeit.
Hier unten auch, aber nicht zu merken. In der Schwärze und Stille war alles anders. Hier lief das Leben ab wie durch den Schlamm gezogen, und auch der liegende James Cusack rührte sich zunächst nicht. Er merkte auch nicht, daß eine Veränderung mit ihm vorging. Erst als er das Ziehen an seiner Haut spürte und das vom Kopf bis zu den Füßen - da kam er allmählich wieder zu sich.
Aus seinem Mund löste sich ein Laut!
Nicht mehr menschlich, beinahe schon die Ultraschallgrenze erreichend, in der sich die Fledermäuse verständigten. Er zog die Beine an, er rollte sich über den Boden hinweg und blieb mit den angezogenen Beinen auf dem Rücken liegen.
Er starrte nach oben - und sah!
Da malte sich die Decke über ihm ab, die nicht so glatt war, sondern Wellen und Mulden zeigte. Er sah auch die unebenen Wände, den Boden, und er sah seine Freunde.
Sie hingen so dicht wie Pelzstücke zusammen und schienen sich an der Decke und an den Wänden regelrecht festgesaugt zu haben. Es gab für ihn keine Dunkelheit mehr. Er stand jetzt über den normalen Menschen. Er konnte im Dunkeln sehen und wußte, daß seine Mutation geklappt hatte. Nur das menschliche Denken war nicht vergangen. Es hatte sich wunderbar mit seiner neuen Existenz und den anderen Genen vermischt.
Er richtete sich auf.
Es ging alles so glatt. Ein frischer Kraftstrom hatte ihn durcheilt. Er war zu einer Person geworden, die es vor Urzeiten gegeben hatte. Die Rückverwandlung war perfekt gelungen. Sein Gesicht konnte er nicht sehen, doch mit beiden Händen fuhr er von unten nach oben an den Seiten entlang. Die neue Haut war da, die neuen Ohren, die wesentlich größer und auch viel spitzer waren.
Fledermaus-Ohren…
Keine Haare mehr. Eine völlig andere Haut. Schon mit dünnem Leder vergleichbar. Dehnbar. Vielleicht nicht zu verletzen. Alles war schließlich möglich.
Er sah die Hände.
Nein, das waren keine Hände mehr, wie sie ein Mensch hatte. Eine glatte grüne Haut schob sich hin bis zu den spitzen Fingernägeln, die den Krallen einer Fledermaus glichen.
Er war ihr König, er war ihr Herr, und er lachte so schrill, daß dieses Geräusch in den Ohren eines Menschen geschmerzt hätte. Mit einer harschen Bewegung drehte er sich zur Seite und stand dabei schwungvoll auf. Cusack, die Mutation, fühlte sich auf einmal so leicht und locker. Bis zur Wand brauchte er nur einen Schritt. In seinem Kopf entstand der Befehl, sie anzufassen und sich daran festzuklammern.
Es geschah, wie er es wollte. Und es passierte noch mehr, denn die Mutation erlaubte ihm, daß er wie eine Fledermaus an der Wand in die Höhe klettern konnte.
Für ihn war es keine Schwierigkeit, sogar die Decke zu erreichen. Er klammerte sich mit seinen Füßen und den Händen daran fest, lief sie entlang und lachte, lachte, lachte…
***
Der Schmerz trieb mir beinahe die Tränen in die Augen. Jana hatte sich regelrecht festgebissen, als wollte sie mir die Hand vom Arm trennen.
Um den fliegenden Schatten konnte ich mich in diesen Sekunden nicht kümmern. Eine Hand hatte ich frei, und die wuchtete ich in den Nacken der Frau.
Es war ein mittelharter Schlag. Zuerst
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