1107 - Die Mutation
glaubte ich, die Zähne würden noch hörten zubeißen, dann rutschten sie über meine Haut hinweg, und Jana geriet ins Stolpern, während sie gleichzeitig zusammenzuckte. Mit einem harten Ellenbogencheck stieß ich sie weg. Wohin sie fiel, sah ich nicht, denn ich mußte mich um den verdammten Angreifer kümmern, der schon sehr nahe gekommen war.
Auf der Stelle hatte ich mich gedreht. Es war tatsächlich eine riesige Fledermaus, die mit welligen Flügelbewegungen über das Beet hinwegsegelte. Ein schwarzes Monstrum, ein dreieckiger Teppich mit einem Gesicht, das wie in die Höhe gezerrt wirkte und eine irgendwie bullig wirkende Schnauze aufwies, die offenstand, so daß ich das Gebiß der Mutation sah.
Helle Zähne. Spitz, nebeneinanderliegen. Sehr dicht, vielleicht sogar gekrümmt. So genau sah ich es nicht, aber ich dachte auch daran, daß diese Zähne den Mann malträtiert hatten, der als Toter unter dem Bett hervorgezogen worden war.
Es war jetzt nicht die Zeit, darüber nachzudenken, wieso die Fledermaus diese Größe hatte erreichen können. Sie war nicht weit von der eines Dracula II entfernt, und sie behielt beim Fliegen genau Kurs auf mich.
Ich zielte auf den »Lappen«.
Jana Cusack griff nicht mehr ein. Sie hockte irgendwo am Boden und jammerte vor sich hin.
Ich feuerte die erste Kugel ab.
Sie schlug in den Flügel hinein und auch hindurch. Die zweite traf beinahe den Kopf. Dicht unter ihm zersägte sie den lederartigen Körper.
Das Tier selbst flatterte nicht mehr so ruhig. Es war aus der Richtung gekommen. Mit einem Schwung nach oben fegte es der Gewächshausdecke entgegen und prallte vor das Glas. Dann fiel es wieder nach unten und flatterte weiter. Seine Bewegungen hatten bereits die Eleganz verloren. Das Wesen bewegte sich wie eine aus dem Rhythmus gekommene Schaukel. Es sackte wieder nach unten, streifte über die Blumen hinweg, riß Blüten ab, knickte Stengel, bewegte noch wild die Schwingen und zerstörte mit ihnen noch mehr von Cusacks Lieblingen. Mit einem letzten Schwung wehte es in meine Nähe, ohne mich jedoch ganz erreichen zu können, denn es landete auf dem Beet und lieb dort liegen.
Vorbei - oder?
Ich war mir nicht sicher und schaute zunächst nach Jana, die auf dem Boden hockte und mich nur haßerfüllt anschaute. Ich hatte nicht nur Cusack etwas genommen, sondern auch ihr. Das würde sie mir nie verzeihen. Mit einer Hand rieb sie über ihren Nacken hinweg, wo der harte Schlag sie erwischt hatte.
Die Fledermaus lag auf dem Beet. Und sie lag für mich wie auf dem Tablett. Sie hatte den beiden Kugeln nicht ausweichen können, ihr Kopf war nicht zertrümmert worden, aber das geweihte Silber hatte dieses Monstrum trotzdem umgebracht und auch seine Kraft entfaltet, denn die mächtigen Schwingen wurden allmählich porös und nahmen eine graue, aschige Farbe an.
Für mich war es der Beweis, daß ich es bei dieser Fledermaus nicht mit einem normalen Wesen zu tun hatte, was nicht allein mit der Größe zusammenhing. Hier hatten magische Kräfte für dieses Wachstum gesorgt, und sie hatte sich auch vom Blut der Menschen ernährt, um zu dieser Größe wachsen zu können, wobei das Opfer selbst nicht zu einem Vampir geworden war. Es wurde also nicht dieser legendäre Vampirismus verbreitet, der Menschen zu Geschöpfen der Nacht und damit ebenfalls zu Blutsaugern machte.
Durch das Gewicht waren die Orchideen tief eingeknickt, und einige von ihnen waren wohl auch gebrochen. Da mich Jana Cusack nicht störte, ging ich bis an den Rand des Beets vor. Mit dem Waffenlauf streifte ich über die Haut des Monstrums hinweg. Der leichte Druck reichte aus, um einen tiefen Riß zu hinterlassen.
Dann klopfte ich gegen den Kopf. Bei ihm stand das Maul noch immer offen. Der Schädel zerbröselte zu Staub. Jetzt war das mutierte Tier endgültig vernichtet.
Als ich mich umdrehte, starrte mich Soul an. Auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck, der kaum zu beschreiben war.
Fassungslosigkeit und Staunen mischten sich dort mit dem Gefühl der Erleichterung, es hinter sich zu haben.
Anscheinend fühlte er unsere Blicke als Aufforderung, etwas zu sagen. Er quälte sich die Worte ab.
»Es war der Schatten aus dem Auto. Er muß es gewesen sein…«
»Das stimmt.«
»Er hat Body überfallen. Er hat ihn gebissen. Sein Blut getrunken und geleckt.«
»Die Fledermaus braucht es, um existieren und auch um so groß bleiben zu können« erklärte ich.
Der Unglaube hatte sich in Souls Augen gedrängt. »Wieso?«
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