1107 - Die Mutation
so laut gewesen.
»Gibt es keine Rollos?« fragte Suko.
»Nein. Die Scheibe ist der einzige Schutz. Oder auch nicht«, sagte Dorsey. Er drehte die Mündung seiner Waffe wieder der Scheibe entgegen.
Sie hielten sich vor dem Fenster auf. Das Blut und auch das Licht der Bodenleuchte zog sie an. Suko schaltete die Lampe aus. Jetzt schimmerte nur noch die Flurleuchte.
Ihre Sicht nach draußen war besser geworden. Das Licht sammelte sich nicht mehr in der Scheibe.
Dahinter lag eine vom bleichen Mondlicht beschienene Kleingartenlandschaft, ein friedliches Bild, das nur durch die zuckenden Körper der Fledermäuse gestört wurde. Sie versuchten es immer und immer wieder, streiften manchmal nur kratzend mit den Flügeln an der Scheibe vorbei, aber es gab auch welche, die es wissen wollten und stur dagegenflogen. Immer wenn sie auftrafen, sah es so aus, als wollten sie für eine Weile daran kleben bleiben, um sich einen Moment später wieder abzustoßen.
Dann flogen sie einen neuen Angriff.
»Die Scheibe hält nicht ewig«, sagte Suko. »Wenn mehrere zugleich anfliegen, wird sie platzen. Es ist besser, wenn wir von hier verschwinden. Außerdem haben wir draußen mehr Bewegungsfreiheit. Haben Sie hier irgendwelche Schutzkleidung?«
Beide verneinten.
»Hüte?«
Die hatten sie. Zwei Strohhüte ließen sich finden, mehr als Schutz gegen die Sonne gedacht. Jetzt wurden sie zweckentfremdet, um den Vampiren keine Chance zu lassen.
»Behalten Sie die Schaufel«, sagte Suko zu Orwell, »damit sind…«
Die nächsten Worte wurden ihm von den Lippen gerissen. Es passierte genau das, was er schon befürchtet hatte. Die Tiere hatten sich gesammelt. Sie flogen so dicht zusammen, daß man schon von einer Formation sprechen konnte.
Der Aufprall außen gegen die Scheibe war gewaltig. Wieder zitterte sie. Diesmal stärker als je zuvor. Das Zittern endete in einem gewaltigen Krachen und Splittern.
Scherben regneten in den Raum hinein, steckten sogar in der Körpern der fliegenden Angreifer. Die drei Männer hatten sich mit einem gewaltigen Sprung zurück in eine trügerische Sicherheit gebracht. Von den Splitterstücken wurden sie nicht getroffen, aber die blutgierigen Fledermäuse wollten nicht von ihrer Beute lassen.
»Weg! Lauft!« schrie Suko und stieß die anderen aus dem Weg. Er selbst blieb noch. Er riß einen der leichten Gartenstühle an sich und stellte sich dem Pulk entgegen…
***
Es war das Versteck - es war sein Versteck!
Es lag unter der Erde. Er selbst hatte sich dieses Verlies und auch den Zugang geschaffen. Es war eine Welt der absoluten Finsternis, aber Cusack mochte diese Umgebung. Er liebte es, bei ihnen zu sein, bei seinen Freunden, die hier lauerten und auf ihn warteten. Er war die Leiter hinab in die Finsternis gestiegen wie ein Dämon in die Hölle. Er konnte nicht die Hand vor Augen sehen, als er auf dem harten Lehmboden stehenblieb, aber er wußte, daß die anderen sehen konnten. Sie hausten hier, sie kamen nicht raus, denn es waren die Wesen, die rein auf ihn fixiert waren.
Er zerrte die Mütze vom Kopf. Warf sie weg. Dann zog er seine Schuhe aus. Die Jacke folgte, die Hose, das Hemd, zuletzt die Unterwäsche. Alles hatte er zur Seite geschleudert, denn er wollte nur für sie da sein, und sie sollten merken, daß es jetzt soweit war. Zu lange hatten sie den Keim für sich behalten, jetzt würden sie ihn abgeben und für die große Mutation sorgen, nach der er sich so sehnte.
Schon immer gesehnt hatte, denn James Cusack war ein Träumer, ein Spinner, aber auch irgendwo ein genialer Mensch gewesen, der eine Verbindung zwischen dem Blut der Menschen und den Tieren herstellen wollte. Es sollte zu einem Nehmen und Geben werden. Sie nahmen ihm sein Blut und gaben ihm etwas von ihrem. In ihrem Blut steckten die uralten Keime, die sich über Millionen von Jahren gehalten hatten. So lange gab es sie schon. Sie waren mal anders gewesen, als es noch ihre Götter gegeben hatte und sie aus einer Mischung zwischen Fledermaus und Mensch bestanden hatten. Eine Verformung der Natur durch dämonische Urkräfte, die vergessen, aber nicht vergangen waren. Man mußte nur den Weg und auch den richtigen Zeitpunkt finden. Das war Cusack gelungen. In dieser Nacht wollte er perfekt werden und das in die Tat umsetzen, das er sonst immer nur in seinen wilden Träumen durchlebt hatte.
Es war feucht und auch kalt in diesem Verlies unter der Erde. Die Luft schmeckte alt, denn sie war mit allem möglichen angereichert, auch mit
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