1107 - Jenseits der tödlichen Grenze
entstand ein Chaos.
Perry sah zu, wie die Sekunden auf der Digitalanzeige des Chronometers davontickten. Aus den Augenwinkeln nahm er Bewegung wahr. Waylon Javier winkte ihm zu. Er sah auf.
„Kanal vier", sagte Waylon mit unterdrückter Stimme, jedoch sichtlich aufgeregt.
„Er will unbedingt mit dir sprechen."
„Wer?" fragte Perry. „Ausgerechnet jetzt?"
Waylon machte eine ungeduldige Geste in Richtung der Konsolentastatur. Perry betätigte den Schalter für den Interkomkanal 4. Das Bild, das ihn von der Videofläche anstarrte, brachte ihn einen Augenblick lang aus der Fassung. Es zeigte Eric Weidenburn mit wutverzerrtem Gesicht und wildbewegten Lippen. Perry drehte an der Kontrolle der Lautstärke und bekam gerade noch zu hören: „...was du dazu zu sagen hast!"
„Wozu?" antwortete er ruhig. „Ich habe dich nicht gehört. Der Empfänger war auf Lautstärke null geschaltet. Wo steckst du überhaupt? Wir suchen dich seit ein paar Stunden."
„Wozu?" Weidenburns Stimme überschlug sich. „Du hast kein Recht, dich dem Wunsch des Armadaherzens zu widersetzen. Ich weiß, daß dieses Raumschiff sich in Bewegung befindet, und ich weiß, daß es nicht auf die Endlose Armada zuhält."
„Du irrst dich nicht", bemerkte Perry mit unerschütterlicher Ruhe. Aber Eric Weidenburn hörte nicht auf ihn. Er fuhr fort, zu rasen und zu toben.
„Du allein bist dafür verantwortlich, daß die Menschheit die ihr zugedachte Bestimmung nicht erreicht. Es ist ein kosmisches Gesetz, daß die Raumfahrt keinem anderen Zweck zu dienen hat als dem, eine übergeordnete Daseinsform zu finden. Wir waren in unmittelbarer Nähe des STAC, und jetzt..."
„Jetzt sind wir im Begriff", unterbrach ihn Perry mit scharfer Stimme, deren zwingendem Tonfall sich selbst der außer Fassung geratene Weidenburn sich nicht entziehen konnte, „uns kopfüber mitten in dein gelobtes STAC zu stürzen. Sieh zu, was es dir bringt!"
Ein heftiger Ruck fuhr durch das große Schiff. Eine Sekunde lang flackerten die Lichter. Das Bild auf der Videofläche des Interkoms erlosch und nahm Eric Weidenburns bestürztes Gesicht mit sich.
Jemand schrie - aber es war nicht ein Schrei des Schmerzes, sondern der Überraschung. Das bunte, computergestützte Bild der Trümmerwüste, die den Frostrubin umgab, war plötzlich vom großen Panoramaschirm verschwunden, und an seiner Stelle leuchtete die echte, unverfälschte Darstellung einer galaktischen Sternenlandschaft.
Die BASIS war über die tödliche Grenze hinaus vorgedrungen.
*
Es war die Routine, die sie über die nächsten Stunden hinwegrettete.
Handgriffe, die sie Tausende von Malen getan hatten, Prozeduren, die ihnen in Fleisch und Blut übergegangen waren. Sie agierten wie Automaten. Alles, was zu tun war, wurde getan - weil sie es nicht anders kannten.
Ortung: Taurecs SYZZEL befand sich eine halbe Lichtsekunde voraus; die Kopplung bestand nach wie vor. In der Schwärze rings um die BASIS materialisierten die Einheiten der Galaktischen Flotte, eine nach der anderen, in Abständen von Sekundenbruchteilen.
Tastung: Das All war frei von Hindernissen. Die Triebwerke der BASIS hatten aufgehört zu arbeiten. Nur eine Batterie von Kontrollsystemen war noch in Betrieb, um jedes Manöver, das Taurec mit der SYZZEL flog, sofort nachvollziehen zu können.
Computerauswertung: Die Zahl der Sterne, deren elektromagnetische Strahlung im Wellenlängenbereich 0,1 bis l000 000 Nanometer erfaßt wurde, belief sich auf zwanzig Milliarden.
Ihre Verteilung war hochgradig anisotrop. Die große Mehrzahl der fremden Himmelskörper ballte sich dreißig Grad nach links von der Flugrichtung der BASIS. Die Galaktische Flotte war im Randgebiet einer Galaxis von durchschnittlicher Größe materialisiert. Ihre Geschwindigkeit relativ zum Zentrum der Sterneninsel betrug 65 000 km/sec. In der Ferne waren etliche Lichtflecke ausgemacht worden, die die Hamiller-Tube tentativ als Galaxien in einer Distanz von mehreren Millionen Lichtjahren identifizierte. Es gab keinen Zweifel daran, daß das Universum, das sich jenseits der Grenze des Frostrubins verbarg, so normal war wie irgendeines.
Schadenskontrolle: Die Kraftwerke der BASIS hatten die kurzzeitige Überbelastung ohne nennenswerte Beeinträchtigung überstanden. Dasselbe wurde von anderen Einheiten der Flotte gemeldet. Die tödliche Barriere, die wochenlang als unbezwingbares Hindernis betrachtet worden war, hatte ihren Schrecken verloren.
Blieb nur noch das eine Problem, auf
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