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1108 - Leichengasse 13

1108 - Leichengasse 13

Titel: 1108 - Leichengasse 13 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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worden.
    Fay sagte: »Es ist immer so still in dieser Straße.«
    »Wie sieht es denn am Tage aus?«
    »Auch nicht viel anders, John. Die Menschen hier leben in den Tag hinein. Manchmal habe ich das Gefühl, als wären alle dabei, auf den Tod zu warten.«
    »Zwei hat es schon erwischt«, sagte ich.
    »Tut mir leid für deine Kollegen. Ich kann dir bei deiner Ermittlung auch nicht helfen.«
    »Gibt es leere Häuser hier?«
    Sie deutete nach vorn. »Ja, so ziemlich am Ende der Straße stehen wohl zwei leer.«
    »Schon lange?«
    »Keine Ahnung. Willst du denn hin?«
    Ich zwinkerte ihr zu. »Wenn ich schon mal da bin, schaue ich sie mir auch an.«
    Wenn solche Gassen in Neapel oder einer anderen süditalienischen Stadt ein besonderes Flair aufweisen, so war das hier nicht der Fall. Die Gassen in Neapel sind auch in der Nacht nicht tot. Da gibt es immer wieder Menschen, die nicht schlafen können und auch in der Dunkelheit vor ihren Häusern sitzen. Man hört Musik, man hört Stimmen. Man hört Autos fahren, aber hier war alles eingeschlafen und hielt sich unter einer Decke versteckt.
    »Hast du mal eine Zigarette, John?«
    »Leider nein.«
    »Dann eben nicht.«
    Wir waren auf den ersten Gully zugelaufen. Davor blieb ich stehen. Mit diesen Gullys hatte ich meine Erfahrungen sammeln können. Ich glaubte fest daran, daß dieser Mann mit den hochgekämmten Haaren von einem Wesen geschnappt worden war, das seinen Weg aus der Tiefe unter der Straße gefunden hatte.
    »Willst du nicht weiter?«
    »Noch nicht.«
    »Was ist denn?«
    Ich deutete auf den Gullydeckel. »Weißt du, Fay, was sich darunter befindet?«
    »Ja, die Welt der Abwasserkanäle. Ich habe mal in der Zeitung darüber gelesen. Sie sind sehr alt, auch brüchig, und sie müssen erneuert werden. Bis heute ist nichts geschehen, die Stadt ist so gut wie pleite. Es fehlt das Geld an allen Ecken und Kanten. Ich glaube nicht, daß die Berichte gelogen haben.«
    »Das ist wohl wahr.«
    Verwundert schaute sie zu, wie ich die kleine Leuchte aus der Tasche holte. Ich stellte mich so hin, daß ich in eines der Löcher an der Seite hineinstrahlen konnte, traf auch gut und verfolgte den blassen Lichtfinger mit meinen Blicken durch ein anderes Loch. Ich glaubte sogar, ein Schimmern auf dem Boden zu sehen, der recht naß war.
    »Was suchst du denn?« fragte Fay.
    »Nichts Bestimmtes«, gab ich zurück.
    »Doch!«
    Ich achtete nicht mehr auf sie und ging in die Knie, um eine bessere Sicht zu haben. Es konnte eine Täuschung sein und somit eine Folge dessen, was hinter mir lag, aber der Boden unter dem Gully schien mir nicht ganz ruhig zu sein.
    Fay hatte sich ebenfalls gebückt und beide Hände flach auf die Oberschenkel gedrückt. »Was ist denn da unten?«
    »Es bewegt sich etwas.«
    »Was?«
    »Ein Schatten.«
    »Ein Tier?«
    »Dazu ist der Schatten zu groß.« Außerdem dachte ich an den Mann mit den hochgekämmten Haaren, der wie ein Spuk von der Straße verschwunden war.
    Fay atmete in meinen Nacken hinein. »Was stellst du dir denn vor? Willst du den Deckel anheben?«
    »Ich bin leider nicht Herkules.« Ein Gully hatte schon einmal bei einem Fall eine wichtige Rolle gespielt. Damals in Leipzig, da war aus einem Gully ein Ghoul gekrochen und hatte sich die Mädchen vom Straßenstrich geholt.
    Einen Strich gab es hier nicht. Dafür aber einen Gully - und möglicherweise auch einen Ghoul oder etwas Ähnliches in dieser Richtung. Ein Ungeheuer, das auf Menschen wartete, um sie sich zu holen. Zuschlagen und verschlucken.
    Ich hockte neben dem Gullydeckel und leuchtete noch immer durch das Loch in die Tiefe. Das Schimmern des feuchten Grunds war normal, aber nicht die Bewegungen, die in das Licht hineingerieten. Sie kamen mir vor wie dunkler Nebel.
    Das war der Schatten!
    Es gab für mich keinen Zweifel mehr. Auch wenn die Geisterstunde vorbei war, der Schatten hatte sich nicht zurückgezogen und lauerte wahrscheinlich auf sein nächstes Opfer.
    Fay Waldon bemerkte meine Unruhe. Sie selbst war auch nervös und flüsterte: »Laß uns weitergehen, John. Es gibt hier ja nicht nur diesen einen Gully.«
    »Nein, ich bleibe.«
    »Aber du kannst den verdammten Deckel nicht anheben. Das schaffen wir auch gemeinsam nicht.«
    »Es wird kaum nötig sein.« Ich ging mit gesenktem Kopf um den Gully herum und leuchtete dabei gegen die Öffnungen. Immer wieder tippte das Licht nach unten, und auch die feinen, dunklen Rauchschwaden glitten durch die starren Strahlen. Unter unseren Füßen kochte

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