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1108 - Leichengasse 13

1108 - Leichengasse 13

Titel: 1108 - Leichengasse 13 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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dem Schlaf zu reißen, doch es hatte sich nichts verändert. Außer Fay und mir bewegte sich niemand auf der Straße, und auch hinter den Scheiben war keine Helligkeit zu sehen. Wenn Menschen auf den Beinen waren, dann hielten sie sich hinter ihren dunklen Fenstern verborgen und warteten ab.
    Fay war froh, sich an mich lehnen zu können. Sie wußte nicht so recht, wohin sie schauen sollte.
    Auf den Gully oder mein Gesicht. Schließlich fragte sie: »Was ist denn genau passiert? Ist er weg? Was hast du für eine Erklärung?«
    »Keine, Fay.«
    »Aber du hast ihn doch gesehen!« rief sie stöhnend.
    »Du auch.«
    »Ja, schon, aber…«, sie holte tief Luft, »ich habe eben Angst. Du hattest auch nicht diese Träume.«
    Langsam umkreiste ich den offenen Gully. Die unterschiedlich hohen Katzenköpfe drückten gegen meine Sohlen, und als ich stehenblieb, war nichts mehr von dieser Kreatur zu sehen.
    Fay Waldon sagte nichts. Sie merkte wohl, daß ich in Ruhe gelassen werden wollte, um nachdenken zu können. Dumpfe Luft schlug mir aus der Tiefe entgegen. Sie brachte nicht unbedingt den Gestank des Kanals mit, der schwang auch in ihr, aber etwas anderes überlagerte den Geruch. Es war der typische Ghoulgestank. Dieser widerliche Geruch von verfaultem Fleisch. Fleisch, das vermoderte und einfach nur tot war.
    Ein Ghoul? Wieder ein Ghoul aus dem Gully?
    Ich mußte damit rechnen, denn unter der Erde besaß eine der widerlichsten aller Kreaturen nahezu ideale Lebensbedingungen. Und Menschen konnte sie sich auch holen.
    Aber wer schickte die Träume? Wer verwandelte diese Welt in der ersten Morgenstunde in eine völlig andere?
    Genau das war die Frage, die mich beschäftigte. In dieses Bild paßte die Existenz eines Ghouls einfach nicht hinein. Er war einer, der fraß, doch er besaß nicht die Macht, gewisse Zeitabläufe zu verändern und dabei noch Menschen aus ihrem normalen Lebensrhythmus zu bringen. Nein, hier mußte schon etwas anderes passiert sein. Sein Ursprung lag meiner Ansicht nach viel tiefer.
    Von hinten her war Fay Waldon an mich herangetreten und lehnte sich an mich. Ich spürte ihre Hände, die sich um meine Schultern geschlungen hatten, hörte sie schwer atmen und kurz danach ihre leise Stimme. »Ich will nicht allein bleiben, John, hörst du? Ich kann es einfach nicht ertragen.«
    »Schon gut.«
    »Bleibst du bei mir?«
    Ich drehte mich um und strich ihr über die Wange. »Keine Sorge, ich werde in dieser Nacht in der Leichengasse bleiben. Nicht nur du bist wichtig, auch dieser verdammte Dämon oder was immer sich hinter der Masse verbirgt.«
    »Danke«, flüsterte sie.
    Es hatte keinen Sinn, wenn wir hier standen und über das Phänomen diskutierten. Richtig wäre es gewesen, in den Schacht einzusteigen und die Verfolgung der Kreatur aufzunehmen. Ich spielte auch mit dem Gedanken und leuchtete noch einmal in die Tiefe, ohne allerdings ein Ziel zu erwischen. Eine Leiter, sei sie auch noch so rostig, fiel mir ebenfalls nicht auf. Ein Sprung in die Tiefe erschien mir einfach zu gewagt.
    »Wir sollten trotzdem versuchen, den Zugang zu verschließen, Fay. Komm hilf mir.«
    »Ja, das Loch ist viel zu gefährlich.«
    Gemeinsam machten wir uns an die Arbeit. Wir waren beide auf die Knie gegangen, drückten gegen den schweren Deckel und mußten all unsere Kraft einsetzen, um ihn überhaupt bewegen zu können.
    Er lag glücklicherweise nicht zu weit vom Loch entfernt. Völlig korrekt klemmte er wenig später nicht fest. Er stand etwas über, aber er bedeutete keine so unmittelbare Gefahr mehr.
    »Er wird zurückkehren, nicht?« sprach mich Fay Waldon mit leiser Stimme an.
    »Damit müssen wir rechnen.«
    »Dann können wir nur fliehen.«
    »Richtig«, gab ich lächelnd zu. »Flucht ist das beste. Allerdings für dich, Fay.«
    »Und was machst du?«
    »Ich bleibe.«
    Sie wollte es nicht wahrhaben, das sagte mir ihr Blick. »Bitte, du… du begibst dich freiwillig in Lebensgefahr?«
    »Ich muß bleiben!«
    »Fühlst du dich denn stärker als dieses verdammte Wesen, John? Das kann ich nicht glauben.«
    »Warum nicht?«
    »Ein Mensch kann nicht stärker sein.«
    »Aber er ist möglicherweise schlauer.« Ich bückte mich und hob das auf, was von diesem ghoulähnlichen Wesen erst verhärtet und dann abgespalten worden war.
    Fay betrachtete das klobige Stück in meiner Hand, dessen Oberfläche glatt war, eine grünliche Farbe zeigte und zugleich noch die braunen Einschlüsse aufwies. Nur war es jetzt so hart wie Kunststoff, und

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