1109 - Die Stunde der Krieger
wir es hinter uns, oder willst du, daß ich umkehre?"
Chrechram zitterte am ganzen Leib. Nur seine Stirnsensoren blieben ruhig, und er versuchte auch nicht, dem Vollerben auszuweichen. Chrubchur blieb .vor ihm stehen.
„Ein solcher Schwur kann tödliche Folgen haben", sagte er leise. „Bist du dir dessen bewußt?"
„Ja", sagte Chrechram zitternd, und nur seine Stirnsensoren, diese überempfindlichen Organe, die sicherer als alles andere über den Gemütszustand eines Unaussprechlichen Auskunft geben, blieben noch immer ruhig. „Vollerbe, ich bin mir keiner Schuld bewußt, und ich plane keinen Verrat. Aber die letzten deiner Art sind schon vor Jahrtausenden gestorben. Niemand weiß, welche Wirkung ein solcher Schwur auf einen Mischling wie mich haben kann."
„Es kommt nicht darauf an, welches Erbgut in dir steckt", sagte Chrubchur ruhig. „Selbst Achtelerben, die von miteinander verwandten Viertelerben abstammen, können den Schwur ohne jeden Schaden ablegen. Voraussetzung dafür ist einzig und allein ein reines Gewissen. Chrechram - ich habe selbst Angst vor den Folgen. Wenn du vorhattest, Chrn eine Ladung Krieger zu hinterlassen, dann sage mir das, und ich werde dafür sorgen, daß du nicht an Bord gehen kannst. Es steht dir frei, dieses Beiboot zur Flucht zu benutzen. Aber ich muß sicher sein können, daß ich nicht unfreiwillig zu diesem ganzen Wahnsinn beitrage. Entweder legst du den Schwur ab, oder ich verständige Chrn und lasse mich von ihm abholen."
„Sie würden das nicht riskieren. Es sind schon ähnliche Fälle bekannt geworden. Sie würden dich eher töten, als dich an Bord zu nehmen."
„Nun gut, dann töten sie mich eben", sagte Chrubchur grimmig. „Das ist immer noch besser, als mit dem Bewußtsein weiterzuleben, daß auch ich zu diesem sinnlosen Krieg beigetragen habe."
Chrechram starrte den Vollerben entsetzt an.
„Du darfst nicht sterben!" stieß er hervor. „Ich werde den Schwur ablegen. Es ist wahr, daß ich Angst davor habe. Das liegt daran, daß ich mir meiner selbst nicht sicher bin. Ich bin kein richtiger Halberbe, und ich weiß nicht, wieviel Macht die anderen über mich haben. Vielleicht haben sie einen Verrat geplant, von dem ich nichts weiß, aber ich bin bereit, auch das in Kauf zu nehmen."
„Die anderen sind auch keine echten Halberben", sagte Chrubchur beruhigend. „Sie würden es nur gerne sein. Hab keine Angst."
Er war sich jetzt seiner Sache völlig sicher. Seine Erzeuger hatten ihm gesagt, daß dieser Schwur nichts mit der Wertigkeit eines Unaussprechlichen zu tun hatte. Es war eine rein psychische Angelegenheit. Und was immer man Chrechram auch eingeredet haben mochte - diese Pseudohalberben, die an Bord des Flaggschiffs das große Wort führten, hätten den Flammenlosen gegen dessen Willen nicht einmal dazu bringen können, einen lausigen Synthokeks zu stehlen.
Trotzdem mußte er Gewißheit haben. Aus all dem, was Chrechram ihm erzählt hatte, mußte er schließen, daß die Unaussprechlichen innerhalb dieser wenigen Tage auch die letzten geheiligten Traditionen hinter sich gelassen hatten. Sie waren bereit, zu belügen und zu betrügen, sogar zu morden. Chrubchur wußte nicht, wie weit er Chrn vertrauen konnte, aber er wußte um so genauer, daß er seine vielleicht letzte Chance vertat, wenn er selbst Chrn zu betrugen versuchte oder auch nur unwissentlich einen Betrüger an Bord der Kommandoeinheit brachte.
Er wünschte sich, daß all dies nicht notwendig gewesen wäre. Chrechram war ihm sympathisch, und wenn es irgend etwas gab, wovor Chrubchur sich ernsthaft fürchtete, dann war das die Möglichkeit, daß er sich in dem Flammenlosen geirrt hatte.
Er legte die Spitzen seiner Stirnsensoren auf die des Flammenlosen. Vor langer Zeit hatten sich die Unaussprechlichen nur auf diese Art miteinander verständigt, aber jetzt taten sie es nur noch sehr selten. Es war, als würde eine Schleuse geöffnet, die zwei Individuen voneinander trennte. Es war nicht im eigentlichen Sinn Telepathie - die hatten die Unaussprechlichen nie gekannt. Aber es war trotzdem ein Austausch auf fast telepathischer Ebene.
Als Chrubchur sich vorsichtig zurückbeugte, stand Chrechram immer noch aufrecht vor ihm, und er zitterte auch nicht mehr.
„Jetzt können wir gemeinsam an Bord gehen", sagte der Vollerbe leise.
Wenig später standen sie Chrn gegenüber und sprachen mit ihm über die vielleicht einzige Chance, die ihnen noch blieb, wenn sie sich und ihr Volk retten
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