111 - Wenn das Grauen sich erhebt
Jagd auf weiße Hexen macht, und weil du - eine weiße Hexe bist, genau wie deine Mutter… und wie ich.«
Mirjana legte die Hände auf ihr Gesicht und war der Internatsleiterin dankbar, daß sie nichts mehr sagte.
Es war schon zuviel gesprochen worden. Ungeheuerlichkeiten hatte Mirjana erfahren. Wie sollte sie all das jemals geistig verarbeiten? Ein dämonischer Hexenjäger hatte ihre Mutter zu Tode gefoltert, und sie trug das Erbe einer weißen Hexe in sich. Es gab im verbotenen Trakt einen Geistermann, den sie vernichten sollte… Zuviel! ZUVIEL!
Grace Morton hatte gesagt, kein Mensch könne gleichzeitig an zwei Orten sein. Das stimmte - für einen Mensehen. Aber wie verhielt es sich mit einer weißen Hexe?
Ob ihr Blair erklären konnte, wie das funktioniert hatte? Mirjana fragte die Hexenschwester, »Es vollzog sich ein Wechselspiel zwischen Geist und Körper«, sagte die Leiterin des Geister-Internats. »Mal befand sich dein Geist im verbotenen Trakt, mal dein Körper, Der Tausch vollzog sich jeweils so schnell, daß weder du ihn mitbekamst noch deine Zimmergefährtin. Als Grace Morton dich berührte, lag dein Körper im Bett, jener Körper, den Bartholomew Hall vor wenigen Augenblicken erst mit seinen Krallen an der Schulter verletzt hatte.«
Mirjana faßte sich unwillkürlich an die Schulter. »Ich habe die Verletzung nicht erwähnt. Dennoch weißt du auch davon.«
Blair Sheene lächelte. »Noch weiß ich mehr von dir als du von mir, Schwester. Aber das wird sich bald ändern. Dann werden wir beide voneinander alles wissen.«
»Wieso kann nur ich Bartholomew Hall besiegen?« fragte Mirjana, »Ich weiß doch überhaupt nicht, wie ich das anstellen soll.«
»Dennoch hast du dich in den verbotenen Trakt begeben.«
»Ich hatte keinen Einfluß darauf«, sagte Mirjana. »Etwas in mir war so stark, daß es mich völlig dominierte.« Blair Sheene nickte. »Das Erbe deiner Mutter, Bartholomew Hall sicherte sich in der Stunde seines Todes ab. Er arrangierte sich mit dem Höllenfürsten, und dieser verlieh ihm einen gewissen Schutz, den ich nicht zu durchbrechen vermochte.«
»Wenn du es nicht konntest, wie soll dann ich…«
»Dir steht eine neue, unverbrauchte Kraft zur Verfügung«, erklärte Blair Sheene. »Eine eben erst erwachende Kraft die so stark sein wird, daß du es nicht fassen wirst. Diese ersten Impulse sind stärker, als sie es jemals wieder sein werden. Gleichzeitig vermag Bartholomew Hall sie aber noch nicht in ihrem vollen Umfang wahrzunehmen, und das wird ihm zum Verhängnis werden. Der Geistermann wird dich unterschätzen. Er wird sich nicht gut genug vor dir schützen. Wenn er diesen Fehler bemerkt, wird es ihm nicht mehr möglich sein, ihn zu korrigieren. Oh, Mirjana, ich kann dir nicht sagen, wie ungeduldig ich auf diesen Augenblick gewartet habe.«
»Was muß ich tun, um Bartholomew Hall zu vernichten?« wollte Mirjana wissen.
»Nichts. Gar nichts. Es wird geschehen. Der Spuk wird an der Kraft einer weißen Hexennovizin zugrunde gehen.«
»Und wann?«
»Wann immer du dich dazu bereit fühlst«, sagte Blair Sheene.
»Jetzt gleich? Ich möchte es so rasch wie möglich hinter mich bringen«, sagte Mirjana.
»Versuch ihn zu täuschen«, riet ihr die Leiterin des Geister-Internats. »Du bist ein sehr schönes, junges Mädchen. Er wird dich begehrenswert finden.«
»Soli ich mit ihm etwa…«
»Geh zum Schein auf seine Wünsche ein. Je besser du ihn zu täuschen vermagst, desto leichteres Spiel wirst du mit ihm haben.«
»Aber er weiß, daß ich seine Feindin bin«, sagte Mirjana.
»Er wird dich in seiner Überheblichkeit nicht sofort töten, sondern zuerst noch seinen Spaß mit dir haben wollen.«
»Er ist doch nur ein Geist«, sagte Mirjana.
»Dennoch war er letzte Nacht in der Lage, dich zu verletzen. Wo schwarze Kräfte walten, ist sehr vieles möglich, diese Erfahrung wirst du in deinem Leben noch sehr oft machen. Ich werde dir helfen, deine ererbten Fähigkeiten kennenzulernen. Ich werde dich lehren, sie zu gebrauchen. Du warst nie allein nach dem Tod deiner Mutter, Schwester, magst du das hin und wieder auch geglaubt haben. Ich hatte stets ein Auge auf dich, und wir werden auch in Zukunft zusammenbleiben, wenn du es willst.«
Mirjana erhob sich. »Ich möchte zu Hall gehen.«
Blair Sheene stand ebenfalls auf und nickte. »Leider kann ich dich nicht begleiten, aber ich werde in Gedanken bei dir sein. Vertraue auf die Kraft in dir. Sie wird ausreichen, um Bartholomew Hall
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