1110 - Killer-Katzen
als sie es anhob. Eine kleine tote Fliege schwamm wie ein schwarzer Punkt innerhalb der Schaumblasen. Fay verzog angewidert das Gesicht und kippte den Rest des Biers auf den Rasen.
John Sinclair war bereits in der Gaststube verschwunden. Fay saß allein in der Stille. Auch von dem Jungen war nichts zu hören. Das Haus hielt die Geräusche ab.
Die Sonne schien, der Wind umfächerte Fay noch immer warm, aber die Kälte in ihrem Innern ließ sich nicht vertreiben. Es war fast wie in der Wohnung in der Leichengasse. Da hatte sie auch niemand gesehen, doch die Gefahr war vorhanden gewesen. Das Unbekannte, das Gefährliche, das sich im Hintergrund gehalten hatte und plötzlich mit all seiner Wucht über sie gekommen war.
Auf ihren Handrücken hatte sich eine Gänsehaut gebildet. Auch ein Teil ihres Körpers war davon bedeckt worden. Die Idylle gab es nicht mehr. Jetzt war die Umgebung feindlich geworden. Kalt.
Gefühllos. Das Sonnenlicht hatte sich in den abweisenden Schein des Mondes verwandelt, der wie dünnes Eis das Land bedeckte, um die hier lebenden Menschen in seinen Bann ziehen zu wollen.
Fay blieb auf ihrem Platz bewegungslos sitzen. Und trotzdem bewegte sich etwas. Es waren ihre Augen, die in die verschiedenen Richtungen schauten. Hin zu den Bäumen, dem Haus, dann auf die Kronen der Birken. Sie sah die Vögel. Sie hörte auch ihre Stimmen.
Die allerdings kamen ihr nicht mehr so freundlich vor. Jetzt klangen sie böse und schrill, beinahe schon scharf.
Fliegen summten über die Öffnung der Schüssel hinweg, in der sich noch die Reste des Essens befanden. Am Himmel zeigten sich erste kleine Wolken. Sie kamen Fay kalt vor.
Sie fröstelte und überlegte, ob sie noch länger an diesem Ort bleiben wollte. Vielleicht war es besser, wenn sie in die Gaststube ging. Dort war sie geschützter. Auch John Sinclairs Nähe würde sie beruhigen.
Fay wollte aufstehen, als sie das leise Schreien hörte. Nichts Gefährliches, Anrüchiges, nur eben diesen schreienden, jammernden oder jaulenden Laut.
Fay hatte nicht damit gerechnet. Auch wenn der Laut völlig harmlos gewesen war, er hatte trotzdem in ihrem Inneren eine Saite zum Klingen gebracht, die ihr gar nicht gefallen wollte. Scherben aus Eis schienen sich auf den Rücken gelegt zu haben.
Sie drehte den Kopf.
Der Laut wehte erneut zu ihr hinüber.
Und jetzt wußte sie, wer geschrieen hatte. Es war eine Katze gewesen. Nur ein derartiges Tier gab dieses Schreien ab. Eigentlich harmlos. So hatte Fay zumindest noch vor Minuten gedacht.
Dann war der Junge gekommen. Seine Aussagen huschten durch ihren Kopf. Eine Katze hatte den Hund gekillt und ihn in einen blutigen Klumpen verwandelt.
Sie wollte es nicht glauben, sie weigerte sich auch noch jetzt, bis sie die Katze sah. Oder den Kater, der sich durch das Gras bewegte. Er hatte seinen Platz nahe der Bäume verlassen, und er ging mit trägen und satten Bewegungen durch den hochwachsenden Teppich aus Halmen, deren Spitzen ihn streiften.
Fay blieb sitzen. Sie konnte und wollte die Katze nicht aus den Augen lassen. Das Tier kümmerte sich nicht um sie, diesen Eindruck hatte sie jedenfalls. Es bewegte sich so unerhört sicher durch das Gras, so daß jeder Schritt schon von einer gewissen Arroganz begleitet war. Den Kopf angehoben, den buschigen Schwanz lässig hinter sich herschleifend, wirkte dieser schwarzweiße kleine Tiger, als könnte ihn nichts aufhalten. Er schritt wie ein König durch sein Revier und schien kein bestimmtes Ziel zu haben. Auch von den umherschwirrenden Insekten ließ er sich nicht stören. Nicht einmal schlug er nach ihnen.
Vor dem Haus und neben der Tür stand eine hellgrün gestrichene Bank. Die Katze ging darauf zu und sprang mit einer geschmeidigen Bewegung hinauf. Sie hockte sich nieder, drehte den Körper, legte die Pfoten übereinander und veränderte noch einmal ihre Haltung, so daß sie flach auf dem Bauch liegenblieb.
Das Tier schaute genau in Fays Richtung!
Fay sah das Funkeln der Augen. Was ihr sonst nichts ausgemacht hatte, störte sie in diesen Augenblicken sehr. Sie mußte immer daran denken, daß Daniel die Katze als Mörder seines Hundes bezeichnet hatte, und nun hatte sie den Eindruck, von kalten Killeraugen beobachtet zu werden.
Fay schüttelte den Kopf. Es war ihr nicht möglich, das Gefühl abzustreifen. Die Kälte blieb. Sie ging von der Katze aus und drang als Welle auf sie zu.
Ein weiteres Miauen schreckte sie hoch. Sofort drehte sie den Kopf nach rechts und sah die
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