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1115 - Die Tränen des Toten

1115 - Die Tränen des Toten

Titel: 1115 - Die Tränen des Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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im Flur richtete Shao noch ihre Haare. Mit ihrem Aussehen war sie zufrieden. Sie trug eine schwarze bequeme Hose und eine gelbe Bluse, deren Stoff seidig schimmerte. Geschminkt war sie kaum. Sie hatte nur die Lippen ein wenig nachgezogen, aber so, daß es kaum auffiel. Der Spiegel gab sie von Kopf bis zum Fuß wider, und sie hätte sich auf abgewendet, wenn ihr nicht etwas aufgefallen wäre. Um sie herum lag eine schwache Aura, die selbst der Spiegel wiedergab. Sie legte sich dort ab wie dünner Nebel, aber es bildeten sich keinerlei Tropfen. Es blieb einzig und allein der Schatten.
    Shao erschrak. Hob die Arme, ging weiter vor, um festzustellen, daß die Aura genau in diesem Moment verschwand. Dafür hörte sie die Flüsterstimme in ihrer Nähe. Die wenigen Worte waren gut zu verstehen, auch wenn sie so leise gesprochen waren.
    »Hüte dich vor den blutigen Tränen«, wisperte es. »Vertraue nur auf die Kräfte der Vergangenheit…«
    Shao stand auf der Stelle. Sie hatte sich erschreckt. Im Spiegel sah sie, daß ihr Gesicht bleich geworden war. So etwas wie ein heißer Strom rann durch ihren Körper. Sie wußte auch, wem die Flüsterstimme gehörte. Amaterasu hatte zu ihr gesprochen. Aus der Vergangenheit. Aus einer fernen Dimension.
    Der Spiegel war wieder blank geworden. Nichts wies mehr auf die Sonnengöttin hin, aber Shao wußte, daß sie sich nicht geirrt hatte. Diese Stimme war keine Einbildung gewesen, und die Worte hatte sie sehr gut behalten, als wären sie ihr regelrecht eingetrichtert worden.
    »Hüte dich vor den blutigen Tränen«, wiederholte Shao leise.
    Was bedeutete das? Sie überlegte krampfhaft. Von blutigen Tränen hatte sie bisher nichts gehört. Da war etwas völlig Neues zu ihr gedrungen. Tränen flossen dann, wenn jemand weinte. Also mußte es eine Person geben, die beim Weinen blutige Tränen vergoß.
    Davor sollte sie sich hüten!
    Sie holte tief Luft. Durch ihren Kopf huschten die Gedanken, ohne daß sie von ihr gehalten werden konnten.
    Derjenige, der blutige Tränen weinte, mußte demnach etwas mit Amaterasu zu tun haben und indirekt auch mit ihr.
    Wahrscheinlich war das unruhige Gefühl in den letzten Stunden so etwas wie eine Vorahnung gewesen.
    Noch immer war sie von Sukos Verhalten irritiert. Er war weggeschickt worden und hatte selbst John Sinclair nichts davon gesagt. Möglicherweise, so folgerte Shao, stand auch sein Verhalten zu Amaterasus Warnung in einem bestimmten Zusammenhang.
    Dann fiel ihr der Besucher wieder ein. Er stand sicherlich schon vor ihrer Tür. Auch sein Verhalten stimmte nicht, aber es fügte sich irgendwie in den Kreis ein.
    Sie öffnete vorsichtig. Nach dem ersten Blick atmete sie auf. Zu sehen war der Besucher noch nicht, aber die Tür des Lifts schwang auf, und ein Mann um die 30 verließ die Kabine.
    Er trug einen dunkelblauen Anzug und ein zerknittertes Hemd ohne Krawatte. Der Stoff schimmerte in einem leichten Rotton. Shao nahm an, daß der Mann Japaner war. Sein pechschwarzes Haar war strähnig und verteilte sich unordentlich auf seinem Kopf.
    Shao trat so weit aus der Tür, daß sie von dem Fremden gesehen werden konnte, der sich orientierungslos umschaute. »Ich denke, Sie suchen mich - oder?«
    Der Japaner erschrak. »Ja!« rief er dann, und es hörte sich erleichtert an.
    »Dann kommen Sie!«
    Er schaute sich zuvor um, bevor er zu Shao eilte. So schnell wie möglich huschte er über die Schwelle in den schmalen Flur hinein und lehnte sich dort gegen die Wand, wo er seine Gestalt im Spiegel betrachten konnte.
    Shao schloß leise die Wohnungstür. Erst jetzt beruhigte sich der Besucher ein wenig, obwohl er noch immer heftiger atmete als normal und mehrmals durch sein Gesicht strich.
    »Ich gebe Ihnen erst mal etwas zu trinken. Möchten Sie einen Tee?«
    »Nein, ich brauche etwas Schärferes.«
    »Gut. Whisky?«
    »Gern.«
    Shao schob den Mann ins Wohnzimmer hinein. Die Blicke des Fremden irrten hin und her, und dabei flüsterte er: »Sie waren noch nicht da, das sehe ich.«
    »Von wem sprechen Sie?«
    »Später.«
    »Wie Sie wollen. Aber jetzt setzen Sie sich erst einmal. Sie müssen zur Ruhe kommen.«
    »Danke.« Er fiel in den mit Polstern bedeckten Rattansessel hinein und versuchte, sein Haar glattzustreichen, was ihm nicht gelang. Shao hatte inzwischen einen Doppelten eingeschenkt. Sie reichte dem Mann das Glas, das er dankbar entgegennahm.
    Er trank schlürfend und mit geschlossenen Augen. Bis auf einen geringen Rest leerte er das Glas, bevor er

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