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1115 - Die Tränen des Toten

1115 - Die Tränen des Toten

Titel: 1115 - Die Tränen des Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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hinweggestrichen, um sie leblos werden zu lassen. Augen, in denen sich keine Pupillen abmalten, was Suko ebenfalls verwunderte. So harmlos schien der Tote nicht zu sein, und er ahnte, daß in dieser Leichenhalle nicht alles in Ordnung war.
    Man hatte ihm keine Verhaltensregeln mit auf den Weg gegeben. Er konnte mit der Leiche tun und lassen, was er wollte. Niemand würde sich daran stören, wenn er sie anfaßte, und das tat Suko auch.
    Er beugte sich nach vorn, streckte die Hände aus und legte sie auf die Beine in Höhe der Knie.
    Der Stoff der Kutte war weich und dünn. Die Haut fühlte sich kalt an. Sie unterschied sich in nichts von der eines normalen Toten. Suko gefiel der Platz nicht, an dem er sich aufhielt. Deshalb ging er an der rechten Seite der Altarplatte entlang, um die Kopfhöhe der Leiche zu erreichen.
    Dort blieb er stehen.
    Der Blick richtete sich jetzt direkt auf das so maskenhaft starre Gesicht. Beim Vergleich mit der Maske läutete in Suko eine Alarmklingel. Etwas störte ihn.
    Trug der Tote vielleicht eine Maske?
    Er faßte hin.
    Zum erstenmal ließ er die Finger über das Gesicht hinweggleiten. Die Kuppen fuhren an der Haut entlang. Er wollte wissen, ob sie weich oder hart war.
    Sie war weich. Aber sie war auch straff und ließ sich so gut wie nicht zusammendrücken.
    Er beugte seinen Kopf tiefer und konzentrierte sich auf die Augen der Leiche. Sie waren für ihn das eigentlich Absonderliche. Augen, die keine mehr waren, die es aber trotzdem gab. So schrecklich und so anders. Gefüllt mit einer Flüssigkeit. Oder waren sie leer? Fand er in ihnen eben nur die Dunkelheit wieder, die in die tiefen Schächte des Todes führten?
    Die Fragen quälten Suko, und er war versucht, Finger in die Höhlen zu stecken, um zu kontrollieren, ob sich sein Verdacht bestätigen würde.
    Leicht fiel es ihm nicht, und er blickte auch zuerst nach rechts in Richtung Eingang.
    Es war noch immer nicht zu erkennen, ob die beiden Leibwächter dort warteten. Wenn ja, dann würden sie trotzdem kaum eingreifen, und so wartete Suko einige Sekunden ab, bis er seine Zeigefinger in die Augenhöhlen hineinsteckte.
    Ja, sie tauchten ein.
    Es war kalt, schon frostig. Er spürte keinen Widerstand. Man mußte dem Toten die Augen genommen haben. Hatte sie entfernt, herausgeschält wie auch immer. Vergleiche mit einer Mumie kamen ihm in den Sinn. Auch bei der Mumifizierung wurde das Innere hervorgeholt. Das Gehirn zog man sogar durch die Nasenlöcher ins Freie.
    Eine Mumie lag nicht vor ihm, dafür etwas Ähnliches. Das war auch kein normaler Toter. Es konnte eine leblose Hülle sein, bei der der frühere Mensch auf eine besondere Art und Weise ums Leben gekommen war und sich in den Schutz anderer Mächte begeben hatte.
    Suko zog die Finger wieder hervor. Sein Blick fiel automatisch auf die Kuppen - und er wurde starr.
    Sie sahen dunkel aus.
    Wie gefärbt!
    Suko trat einen Schritt zurück. Etwas drückte sich wie eine unsichtbare Speerspitze in seinen Magen. Mit Überraschungen hatte er schon gerechnet, aber nicht mit einer solchen, denn die dunkle Flüssigkeit an seinen Fingerspitzen war bestimmt kein Teer.
    Es war noch zu dunkel, um etwas Genaues zu sehen. Deshalb holte Suko die Lampe hervor und leuchtete zuerst die linke Fingerkuppe an, danach die rechte.
    Die Flüssigkeit an beiden war gleich. Ein bestimmtes Rot, wie es nur das Blut zeigte…
    ***
    Suko war von Natur aus ein ruhiger Mensch. Er verfiel nicht in Panik, er drehte nicht durch, er blieb einfach neben der Leiche stehen, während die Gedanken durch seinen Kopf rasten.
    Leere Augenhöhlen. Ein Körper, der nur noch eine Hülle war. Zumindest auf den ersten Blick hin.
    Daß mehr dahintersteckte, hatte er jetzt erfahren müssen, und aus seinem Mund drang ein scharfer Atemzug. Er glitt wie der Hauch des Lebens über das starre Gesicht der Leiche hinweg, doch er holte nichts ins Leben zurück.
    Eine mit Blut gefüllte Leiche. Kein normaler Toter. Einer, der einen besonderen Tod erlitten hatte und als Leiche noch große Rätsel aufgab. So und nicht anders sah Suko die Dinge. Sofort stellte er sich die Frage, was er unternehmen sollte. Er fühlte sich nicht hilflos, allerdings an die Wand gedrückt oder wie jemand, der ein Rätsel lösen wollte und nicht den richtigen Weg fand.
    Der tote Tuma Agashi verbarg ein Geheimnis, auch wenn er nicht mehr reden oder sich bewegen konnte. Das stand für Suko fest. Da gab es etwas, das den Rahmen der Normalität sprengte, und er hielt wieder

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