1118 - Zwischen Himmel und Hölle
gelogen. Sage ich nein, ist es auch keine Lüge. Sie können es sich aussuchen.«
»Nein, das schaffe ich nicht.«
»Stimmt, Sie sind ja ein Mensch und müssen so denken. Sagen wir so, Ihre Frau ist so etwas wie eine Gefangene zwischen Himmel und Hölle. Gefesselt in den Zeiten, ohne eine Chance, sich selbst zu befreien. Sie liegt in einem magischen Koma. Möglicherweise sagt Ihnen das mehr, Mr. Conolly.«
»Nein, nicht viel. Aber ich frage Sie, ob Sie meine Frau retten können? Sind Sie in der Lage, sie wieder hervorzuholen?«
Veritas verdrehte seine dunklen Augen und schaute zum Himmel, als stünde dort die Antwort geschrieben. »Ich wäre in der Lage, aber ich will es nicht. Ich will alle Sinclair-Freunde dorthin bekommen, und der nächste sind Sie!«
»Wie schaffen Sie das?«
»Haben Sie keine Furcht?«
»Wieso?« keuchte Bill.
»Weil ich mich über Ihre Neugierde wundere. Klar, das ist Polizistenart.«
»Ich bin kein Polizist!« erklärte Bill.
»Das ist mir bekannt. Aber Sie sind oft genug mit Polizisten zusammen, Mr. Conolly. So etwas färbt ab.«
»Was passiert?«
»Sie werden sich jetzt setzen. Genau Ihrer Frau gegenüber. Das ist auch für mich bequemer.«
»Und dann?«
»Müssen Sie nur abwarten. Sie werden keine Schmerzen verspüren, das verspreche ich Ihnen. Sie erleben keine Folter. Aber Sie werden den Strom der Zeiten spüren, der Sie durchfließt, und Sie werden sich fühlen wie nie zuvor in Ihrem Leben. Schweben, fliegen, einfach davon segeln, das Irdische hinter sich lassen. Eingehen in eine andere Welt. Sie werden das Phänomen des ›Zweiteiligen Körpers‹ erleben. Das Wandern durch andere Welten, aber ich versichere, dass Sie nicht unverletzbar sind. Vieles kommt auf Sie zu und auch auf Ihre Freunde. So, genug geredet. Sie werden sich jetzt setzen.«
Bill wollte widersprechen, aber er hatte keine Chance. Der Hellseher schaute ihn mit seinen dunklen Augen an und flüsterte dabei:
»Auch Ihre Frau ist nicht unverletzbar, Bill. Zwar bin ich nicht direkt bei ihr, doch das hat nichts zu sagen. Ich an Ihrer Stelle würde tun, was mir befohlen wurde.«
Bill überlegte, ob er noch einmal schießen sollte. Er ließ es bleiben.
Mit einer sehr kraftlosen Bewegung steckte er die Beretta wieder weg. Seine Schuhe schlurften über die Steine, als er sich dorthin bewegte, wo der Tisch mit den Stühlen stand und Sheila schon wie eine Puppe auf ihn wartete.
Er musste den Stuhl etwas zur Seite schieben, um seinen Platz einnehmen zu können. Bill spürte das lackierte Holz unter seinem Gesäß. Er hatte nie mit einem Menschen gesprochen, der auf dem elektrischen Stuhl gesessen hatte, aber so ähnlich wie Bill musste sich auch ein solcher Delinquent fühlen.
Der Reporter hatte nur Augen für Sheila, die totenblass war. Er hörte kein Atmen bei ihr. Sie steckte voll in der Falle des verdammten Hellsehers.
Noch ein neuer Begriff war gefallen. Von einem Zeitweiligen Körper war die Rede gewesen. Bisher hatte er nie davon gehört. Bill sah es als ein Phänomen an, das nur Privilegierte bedachte. Er rechnete sich aus, dass Veritas in einem dieser Zeitweiligen Körper steckte oder selbst ein solcher war. Wie jetzt auch Sheila?
Sie sagte nichts. Sie sah ihn auch nicht an. Die Augen hielt sie zwar offen, doch der Kopf war nach hinten gedrückt, und so konnte sie eigentlich nur in den Himmel schauen, über den wie gezupft aussehende Wolken hinweg trieben.
Es wurde kein Wort mehr gesprochen. Veritas bewegte sich mit sicheren Schritten auf Bill Conolly zu. Seine Hände berührten die Brust, aber sie tasteten das Amulett nicht an.
Vernon Taske ging seitlich an Bill vorbei. Die Schritte waren kaum zu hören. Hinter dem Reporter blieb er stehen. Er sprach leise, und die Worte fluteten flüsternd an Bills Ohren heran. »Wie gesagt, es tut nicht weh. Es hat auch keinen Sinn, sich dagegen zu wehren. Sie würden Ihren Zustand und den Ihrer Frau nur verschlimmern.«
Nach wie vor blieb der Hellseher bei seiner kalten Höflichkeit.
Bill kämpfte mit sich. Er war kein Mensch, der so leicht aufgab, auch wenn andere es schafften, eine Kugel aufzufangen. Er hätte sich gewehrt, aber er brauchte nur einen Blick auf seine Frau zu werfen, um zu erkennen, dass es keinen Sinn hatte. Er würde den Kürzeren ziehen.
»Sie müssen sich entspannen!« sprach Taske so ruhig wie ein Therapeut. »Keine Sorgen haben. Bereiten Sie sich auf Ihre neue Existenz vor. Sehen Sie es locker.«
»Verdammt, was…« Bill verstummte,
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