1118 - Zwischen Himmel und Hölle
weiß nicht, wie es bei dieser Patientin ist. Auch meine ärztliche Kunst hat Grenzen. So leid es mir tut, eine Voraussage kann ich Ihnen nicht geben.«
»Danke.«
Der Rest der Fahrt war schweigend verlaufen. Jane hatte hin und wieder nur ihre Hand auf die Stirn der Horror-Oma gelegt und dabei festgestellt, dass die Temperatur tatsächlich nicht sank. War das der Strohhalm, an den sie sich klammern musste?
Sie richtete sich auf. Die Bilder der jüngsten Vergangenheit verschwanden. Dafür tauchte eine andere Szene auf, die sie einfach nicht vergessen konnte.
Vernon Taske spielte die Hauptrolle. Er, sein Büro und auch Jane Collins.
Sie sah sich wieder bei ihm. Sie erlebte ihn, sein kaltes Lächeln, seine Macht, die von ihm ausstrahlte und nichts anderes auf der Welt gelten ließ.
Er war gefährlich. Er war jemand, der die Grüße aus einer anderen Welt mitbrachte. Er hatte sie im wahrsten Sinne des Wortes in die Knie gezwungen, aber er hatte es nicht geschafft, sie in seinen Bann zu bekommen.
Es gab ein Hindernis.
Alte Kräfte, die noch aus der Zeit stammten, als Jane dem Teufel gedient hatte. Sie war eine Hexe geworden. Die Macht, die sie damals besessen hatte, war nicht völlig verschwunden. Etwas war zurückgeblieben. Eine latente Hexenkraft, die, wenn man so wollte, zu einer weißen Magie gezählt werden konnte, obgleich Jane die Unterschiede zwischen Weißer und Schwarzer Magie nicht sah.
Es gab eben nur die Magie. Und es kam immer darauf an, was der Beherrscher dieser Kraft daraus machte.
Diese Kraft war jetzt zu ihrem Retter geworden. Jane hatte mittlerweile das Gefühl, dass sie die einzige war, die Veritas alias Taske Paroli bieten konnte.
Warum ihn die geringen Kräften in ihr so gestört hatten, das wusste sie selbst nicht. Die Gründe konnten verschieden sein und aus vielen Einzelheiten bestehen.
Jeder hätte diese Kräfte in sich haben müssen. Zum Beispiel John Sinclair, aber auch Suko, Glenda, Sir James oder die Familie Conolly.
Dann hätten sie einen relativen Schutz besessen. Leider keinen absoluten, um Taske zu stoppen.
Draußen war es warm. Im Krankenhaus nicht so sehr. Trotzdem glänzte auf Janes Stirn der Schweiß, Sie merkte jetzt auch, dass die Ungeduld in ihr immer mehr zunahm. Wie lange sie hier genau saß, wusste sie nicht, denn sie hatte nicht auf die Uhr geschaut. Jane konnte nur hoffen, dass sich Sarahs Zustand nicht verschlimmert hatte.
Links von ihr befand sich die Tür zur Station. Es war eine kleine Abteilung. Sie verdiente auch den Namen Sicherheitsbereich. Man konnte sie nicht aufstoßen. Sie musste jedes Mal aufgeschlossen werden. Jane wartete darauf, dass hinter den Milchglasscheiben der Tür endlich der Umriss des Arztes erschien. Der Mann hatte versprochen, ihr so rasch wie möglich Bescheid zu geben.
Er hieß Wayne, war schon älter und trug das graue Haar straff zurückgekämmt.
Was die Ärzte mit Sarah anstellten, wusste Jane nicht. Der Doktor hatte von Untersuchungen gesprochen, die sich etwas hinziehen konnten.
Durch die große Scheibe schaute Jane nach draußen zu den Wolken am Himmel hin. Sie besaßen eine ungewöhnliche Form und wirkten dabei wie auseinandergezupft. Der Wind trieb sie vor sich hier, es sah so aus, als flossen sie über den Himmel hinweg, um zu demonstrieren, dass alles in der Natur in Bewegung war.
Jane stand auf. Sie konnte nicht mehr länger sitzen. Sie ging hin und her. Endziel war immer der Lift. Dort kehrte sie dann um, schritt bis zum Fenster, drehte sich, nahm den gleichen Weg wieder zurück, aber sie setzte sich nicht mehr hin.
Janes Gedanken drehten sich nicht nur um Sarah Goldwyn, sondern auch um ihre anderen Freunde. Keiner von ihnen befand sich in der direkten Gewalt des Vernon Taske, aber seinem Einfluss würden auch sie nicht entrinnen können. Selbst John Sinclair nicht.
Jane wusste nicht, wie oft sie hin und her gegangen war, als endlich die Tür aufgeschlossen wurde und der Arzt heraustrat. Sofort blieb Jane stehen. Bevor der Arzt etwas sagte, schaute sie ihn an. Sie suchte bereits in seinem Gesicht nach Antwort. Es zeigte keinen anderen Ausdruck als bei ihrem ersten Zusammentreffen.
Es war die übliche Frage, die Jane stellte. »Wie geht es ihr?«
Dr. Wayne räusperte sich. »Ich kann Ihnen nicht viel sagen. Wir haben sie untersucht.«
»Und weiter? Ist sie tot?«
»Wollen Sie die Wahrheit wissen.«
»Ja!«
»Ich weiß es nicht. Ich bin überfragt. Eigentlich hätte sie tot sein müssen, aber das stimmt auch
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