1118 - Zwischen Himmel und Hölle
Himmel und Hölle!«
Meine Antwort sorgte bei ihm für ein Lachen. »Ja, zwischen Himmel und Hölle. Du als Mensch, und ich weiß, dass Menschen auf dieser Grenze zermalmt werden. In einem Mahlstrom der Dimensionen, in denen alles fließt und mitgerissen wird. So wird es dir ergehen, Sinclair. Das kann ich dir versprechen.«
»Ich glaube auch, dass du recht hast. Aber du bist nicht vergangen, und ich habe auch nicht vor, hier mein Leben auszuhauchen. Das musst du schon akzeptieren.«
»Nein, du hast noch nicht gewonnen. Ich akzeptiere nichts, gar nichts. Wir sind zu zweit, und ich bin noch immer der Meinung, dass einer von uns zuviel auf der Welt ist. Ich denke nicht daran, meinen Plan aufzugeben, und ich kenne dich gut genug, um zu wissen, dass du es auch nicht tun willst. Deshalb bin ich der Meinung, dass wir es hier austragen sollten.«
»Ja, ich auch.«
»Willst du wieder schießen?«
»Hätte das einen Sinn?«
»Nein, denn hier bin ich noch stärker!«
»Du vertraust auf dein zweites Ich, nehme ich an. Ich habe es noch nicht gesehen und…«
»Das wirst du auch nicht sehen!« unterbrach er mich, »Ich hasse es, wenn man mir zu nahe kommt.«
»Das bin ich schon, Veritas. Ich bin dir bereits nahe gekommen, sehr nahe sogar. Und ich stelle mich dir zur Verfügung. Ich werde nichts tun und darauf warten, dass du bei mir das fortsetzt, was du bei Jane Collins angefangen hast.«
Für einen Moment kniff der Hellseher die Augen zu Schlitzen zusammen. »Welchen Trick hast du dir ausgedacht?«
»Keinen. Es ist doch deine Welt, zwischen Himmel und Hölle liegt sie. Hier bist du der Herrscher.«
»Ich kenne dich, Sinclair«, flüsterte er mir zu. »Ich kenne dich sogar noch viel besser als zuvor. Du bist nicht grundlos hier. Es war dein Plan, und welchen hast du jetzt?«
»Keinen. Abgesehen davon, dass ich herausfinden will, wer von uns beiden tatsächlich der Stärkere ist. Das müsste auch dir sehr gelegen kommen.«
»Ja, ich kenne dich«, sagte er leise und begann zur Seite zu gehen, als wollte er mich umrunden. »Ich kenne dich sogar sehr gut, mein Lieber. Ich wusste, dass wir irgendwann einmal zusammentreffen würden, deshalb habe ich dich studiert. Und ich weiß auch, dass du dich auf dein Kreuz verlässt.«
»Willst du es sehen?« Die Antwort wartete ich nicht ab. Ich holte es hervor und hielt es ihm offen entgegen.
Er starrte es an. Keinen Schritt wich er zurück. Mir fiel auf, dass sich das Kreuz nicht erwärmt hatte, als wäre es nicht in der Lage, sich für eine Seite zu entscheiden. Entweder für den Himmel oder für die Hölle. Es balancierte auf der Grenze.
Nach zwei weiteren Schritten blieb er stehen, den Blick auf das Kreuz gerichtet. Dann lächelte er. »Ich wusste, dass es mir nichts tut. Ich verbrenne nicht wie so viele deiner Dämonen, die du schon in den Orkus geschickt hast. Nein, das passiert nicht, Sinclair. Ich stehe ihm völlig neutral gegenüber. Kannst du dir das vorstellen? Kannst du dir wirklich vorstellen, was das bedeutet? Dein Kreuz ist nicht stark genug für mich, mein Freund. Schwach ist es.« Er lachte.
»Schwach und neutral. Ich habe dich durcheinander gebracht, wie? Überlegst du jetzt, ob ich ein Dämon bin oder nicht?« Er wies auf sein Amulett. »Für mich ist es ebenso wichtig wie das Kreuz, John Sinclair. Du glaubst gar nicht, welche Kräfte darin schlummern? Der alte Rabbi ist sehr fromm gewesen, dann aber hat er sich dem Teufel und dem Bösen verschrieben, und das hat sein Amulett mächtig werden lassen.«
»Akzeptiert«, sagte ich. »Aber vergiss nicht, dass du eine gespaltene Persönlichkeit bist und noch ein zweites Ich besitzt. Das Böse. Vielleicht auch ein Teil des Rabbi-Erbes, wer weiß es.«
»Ja, du hast recht«, erwiderte er fast jubelnd und streckte seinen Arm aus. »Das zweite Ich, auf das ich so stolz war und auch noch bin. Nur hat es mich verlassen. Es wurde mir weggeholt. Es ist selbständig geworden und nicht hier.«
»Wo befindet es sich?«
»In deiner Welt, Sinclair. Ja, es wurde mir entrissen, und zwar von der Person, die noch eine Hexe ist, obwohl sie sich nicht so fühlt. Es zog mein zweites Ich an, und es steht in diesem Augenblick der Hexe gegenüber. Ich spüre es. So wie wir miteinander kämpfen, wird es Jane Collins auch tun müssen. Sie kämpft gegen mich, und du kämpfst gegen mich. Nur eben auf zwei verschiedenen Ebenen.«
Ich musste ihm glauben, denn dagegen gab es keinen Einwand.
Zugleich fragte ich mich, ob Janes Kräfte
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